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Wohlfahrtspflege
Berufsausbildung. Das Verlangen der Kriegsbeschädigten nach Berufsausbildung
war wie in den Vorjahren sehr rege. Die Mehrzahl dieser Leute setzte sich aus Schwerbeschädigten
zusammen, die ihren früheren Beruf nicht mehr ausüben konnten; überwiegend waren hier
ehemalige Landwirtem it Amputationen. Die Fälle, in denen Berufsvervoll⸗
kommnung oder Berufsverfeinerung in Frage kam, waren weniger zahlreich.
Da die Mehrheit der Kriegsbeschädigten, bei denen Umlernung nötig war, staatliche
Stellungen bei Bahn oder Post anstrebte, mußte hierauf bei der Einrichtung der Aus—
bildungskurse besonders Rücksicht genommen werden. Die Ausbildung erfolgte teils in eigenen
Unterrichtskursen, teils durch Überweisung an die verschiedensten Lehranstalten. Das Ergebnis
der ersteren war im allgemeinen befriedigend. Die besten Erfahrungen wurden mit den
Spezialkursen gemacht, deren Teilnehmer nach Kursende größtenteils sofort dem Er⸗
werbsleben zugeführt werden konnten. Weniger war dies bei den Sammelkursen der
Fall. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, daß dieser Kurs nach seinem Aufbau und Lehrplan
auch mit Rücksicht auf seine Teilnehmer (Landwirte) nur die Auffrischung der Volksschulkennt⸗
nisse vorsieht und als eine Art Vorstufe für die weitere Ausbildung zu betrachten ist.
Die Mehrzahl der ausgebildeten Kriegsbeschädigten gehörte anderen Fürsorgestellen
an. Diese Tatsache ist aus dem Umstand abzuleiten, daß Nürnberg Lazarettstadt ist und andere
kleinere Fürsorgestellen der hohen Kosten wegen die Errichtung eigener Ausbildungsgelegen⸗
heiten unterlassen. Die Unterstützung von Kursb esuchern, die der Nürn—
berger Zuständigkeit unterstehen, ist dem System der Erwerbslosenfürsorge angepaßt. Die
Rente wird hier jedoch nicht angerechnet. Außerdem werden die sachlichen Kosten (Schulgeld,
Lehrmittel, Straßenbahn usw.) völlig übernommen.
An eigenen Kursen bestanden außer den im Verw. Ber. 1917 (S. 50) genannten Kursen
1J Unterkurs für Landwirte, 1 Fachkurs für das Bäckergewerbe, J Postscheckkurs und schließlich
3 Sammelkurse. Außerdem waren Kriegsbeschädigte tätig an den von der bayerischen Landes⸗
gewerbeanstalt Nürnberg eingerichteten Handwerkerfachkursen, in den Werkstätten der Nerven—
station, in der Blindenanstalt und in einer Reihe anderer Schulen wie Bauschulen, Kunstgewerbe—
schulen, Technische Lehranstalten, Handelslehranstalten usw.
Die Werkstätten im orthopädischen Lazarett Sebastianspital verschwanden im Früh—
jahr 1919 mit der Auflösung des Lazaretts. Der Übungswerkstätte der Maschinenfabrik Augs-
burg-Nürnberg wurden mehrere Hundert Kriegsbeschädigte zur Gliederanpassung überwiesen.
Unterstützungswesen. Das System des laufenden Zuschusses wurde den Verhältnissen
der Erwerbslosenfürsorge angepaßt.
In bezug auf Heilfürsorge wurde eine größere Anzahl von Heilverfahren durchgeführt.
Außerdem wurde ärztliche Behandlung gewährt, auch wurden Anweisungen auf Naturalien⸗
unterstützzungen (Schuhe, Anzüge, Mäntel, Hosen, Betten u. dgl.) gegeben.
Stellenvermittlung. Durch das Kriegsende und die rasche Demobilisierung des Heeres
wurde in ganz kurzer Zeit eine bedeutende Anzahl von Arbeitskräften frei, die Arbeit und Unter—
kommen suchten. Durch die Verordnungen über wirtschaftliche Demobilmachung wurde ein
großer Teil der zurückgekehrten Leicht— und Schwerbeschädigten in ihren alten Betrieben wieder
untergebracht. Es ermöglichte ferner das Einsetzen einer lebhaften Geschäftskonjunktur die Auf⸗
nahme einer großen Anzahl Leichtbeschädigter in größeren öffentlichen und privaten Betrieben
und bei Notstandsarbeiten. Die Erfahrungen haben gelehrt, daß die Unterbringung der rein
äußerlich, d. h. kör per lich Beschädigten, nicht auf unüberwindliche Schwierigkeiten stößt,
während die Kranken, hauptsächlich die Lungen- und Nervenkranken, erhebliche Schwierigkeiten
bei ihrer Unterbringung bereiten.
Im Berichtszeitraum bildeten sich folgende Richtlinien für die Vermittlung der Kriegs-
beschädigten heraus. Es werden vermittelt: In erster Linie die Schwerbeschädigten,