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unseres Triptychons entstanden, könnte man das allmähliche Wachsen
der Dürerschen Kunst studieren, zu Freiheit und Reichtum.
Alles das, was Wölfflins feiner Geschmack in dem Mittelstück als
störend empfindet (mit Ausnahme der Übermalungen natürlich) und
was sein Urteil dann leider für undürerisch erklärt, all das hat auch
Dürer als störend empfunden, wie er an die Flügel ging. In diesen
Flügeln hat er sich dann selbst korrigiert.
Anzufangen mit der Komposition: Wölfflin findet sie im Mittel-
stück widerspruchsvoll, Dürer auch, hält sie deshalb jetzt in klarer
Unterordnung unter ein Hauptmoment. Wölfflin findet die Raum-
füllung zu ärmlich, Dürer auch, füllt den Raum mächtig und reich.
Wölfflin findet die Engel zu klein, Dürer auch, macht sie größer.
Die Flügel der »armen Wichte« findet Wölfflin »blöde«, Dürer
denkt ähnlich und macht sie kräftiger, funktionsfähiger. Wölfflin
findet die Bewegung starr, Dürer auch, gibt sie leicht und reich.
Wölfflin findet die Modellierung im Madonnenkopf »fast pedan-
tisch«, Dürer auch, modelliert in außerordentlicher Feinheit und
Zartheit.