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Gemeinnützige Anstalten, Armenwesen und Wohltätigkeit
jährige in Bayern keinen Unterstützungswobnsitz, so ersetzt der Staat dem Landarmenverband
fünf Zehntel der Kosten.
Die den Armenverbänden sowie dem Staate durch die Fürsorgeerziehung Minder—
jähriger erwachsenden Kosten gelten in keiner Hinsicht als Armenunterstützungen (Art. 16 des
baver. Fürsorgegesetzes).
Armenpolizeilicher Arbeitszwang. Eine neue Zwangsmaßregel gegen
Unterstützungsempfänger, die nicht die ihnen angewiesene Arbeit verrichten wollen, und gegen
Unterhaltpflichtige, welche trotz Aufforderung des Armenverbandes ihrer Unterhaltspflicht
nicht nachkommen, ist den Armenverbänden in Art.76 des Armengesetzes in die Hand gegeben.
Solche Personen können auf Antrag des unterstützenden oder erstattungspflichtigen Armen—
verbandes in einer öffentlichen Arbeitsanstalt oder in einer staatlich als geeignet anerkannten
privaten Anstalt untergebracht werden. Sie sind verpflichtet, für Rechnung des Armenverbandes
die ihnen angewiesenen Arbeiten nach dem Maße ihrer Kräfte zu verrichten. Dafür kann auch
die Unterbringung in einer Erziehungs- oder Heilanstalt, insbesondere auch Trinkerbheilstätte,
zur Beschäftigung mit angemessener Arbeit angeordnet werden.
Organisation. Das neue bayerische Armengesetz bestimmt in Art. 16..Jede Gemeinde
bildet einen Ortsarmenverband und dieser übt die öffentliche Armenpflege auf Kosten der
Gemeinde aus.
In jeder Gemeinde, die einen eigenen Ortsarmenverband bildet, besteht ein „Armenrat“
(Art. 21). Die Zusammensetzung desselben ist in Art. 22 ff. angegeben. Es ist insofern eine
Erweiterung in der Organisation eingetreten, als sich nach Art. 22,IV in Gemeinden mit mehr
als 10000 Einwohnern unter den gewählten Mitgliedern Frauen und Vertreter der in der
Gemeinde bestehenden Einrichtungen der privaten Wohltätigkeit befinden sollen. Wählbar sind
nach Art. 26 alle volljährigen, mit Steuer veranlagten Einwohner beiderlei Geschlechts.
Eine weitere Neuerung besteht darin, daß der Armenrat in Gemeinden mit mehr als
10000 Einwohnern für jeden Armenbezirk einen Bezirkspflegeausschuß bilden kann und daß
in Gemeinden über 30000 Einwohner solche Ausschüsse gebildet werden müssen (Art. 27 des
Armengesetzes). Diese bestehen aus einem Mitglied des Armenrates als Vorsitzenden und
mehreren Armenpflegern des Armenbezirks; auch Frauen sollen sich darin befinden. Die Pfarrer
der Pfarreien des Armenbezirks oder die von ihnen abgeordneten Geistlichen, dann der Armenarzt
des Armenbezirkes sind Mitglieder des Bezirksausschusses, auch wenn sie nicht im Armenbezirk
wohnen (Art. 27). Soweit es die Kriegsverhältnisse zuließen, wurden die nach dem Gesetz
unbedingt notwendigen Anderungen in der Organisation vorgenommen.
Die Wirkung des Krieges auf die öffentliche Armenpflege. Der Ausbruch des
Krieges nahm in den ersten Wochen die Armenpflege erhöht in Anspruch und zwar hauptsächlich
mit Wochenalmosen und augenblicklichen Geldunterstützungen für Brot und für Mittagskost.
Die bald einsetzende gefetzliche und freiwillige Fürsorge für die Familien der Kriegsteilnehmer
und auch für sonstige durch den Krieg hilfsbedürftig Gewordene brachte der Armenpflege
allmähliche Entlastung. Die den Angehörigen von Kriegsteilnehmern gereichten Armenunter—
stützungen kamen durch den Lieferungsverband (Kriegsfürsorge) zur Rückzahlung. Die hier nur
vorschußweise gewährte Armenbilfe wurde nicht als Armenunterstützung mit ihren gesetzlichen
Folgen angerechnet.
Durch den im Laufe des Krieges erfolgten Ausbau der gesetzlichen Fürsorge und
durch die liberale Auslegung der Bestimmungen wurde für die öffentliche Armenpflege nicht
nur der gewohnte Zugang an Hilfsbedürftigen sehr verringert, sondern es konnten auch viele
alte ständige Gäste der Kriegsfürsorge (Lieferungsverbände) überwiesen werden. Weiter
entlastet wurde die öffentliche Armenpflege durch die Verwendung vieler sonst beschäftigungs—