Full text: Verwaltungsbericht der Stadt Nürnberg für das Jahr 1915 (1915 (1918))

Polizeiverwaltung 
ist auf die 8 Schwestern verteilt. Im siebenten Jahr der Tätigkeit der Polizeipflegerin be— 
trug die Zahl der Pflegebefohlenen 1822 (1930), sodaß gegenüber dem Vorijahr eine Ver— 
minderung von 108 Fällen vorliegt. 
Für die Erledigung ihrer Aufgabe wurde der Polizeipflegerin die mit Hilfe der Kgl. 
Hauptstelle für Gefangenenfürsorge im November 1914 in's Leben gerufene Arbeitsstube für 
Strafentlassene immer wertvoller. Sie genoß auch dieses Jahr noch Gastrecht in der Bolks— 
züche Untere Talgasse 2. Viele Mädchen und Frauen haben in der Arbeitsstube unter 
Aufsicht einer Leiterin teils auf wenige Tage, teils länger bis zu 6 Wochen Beschäftigung 
gefunden und wurden zugleich von Mittag an verköstigt. Vormittags wurde nicht gearbeitet, 
damit den Schützlingen Gelegenheit blieb, sich nebenbei nach ständiger Beschäftigung umzusehen. 
Den meisten wurde die Arbeitsstube zur Brücke in ein geordnetes Leben. Von der Kgl. 
Hauptstelle für Gefangenenfürsorge erhielt die Polizeipflegerin außer dem Zuschuß von 1400 & 
für die Arbeitsstube viel dankenswerte Hilfe in Einzelfällen. 
Da sich ihre Fürsorge vor allem den erstmals straffälligen Jugendlichen, die ihr 
sämtlich vom Jugendgericht überwiesen werden, zuwendet, so wurde von ihr erhofft, daß ihr 
aus den für das Jugendgericht zur Verfügung gestellten staatlichen Mitteln ein Zuschuß ge— 
vährt würde. Eine diesbezügliche Anfrage wurde bisher leider abschläglich beschieden. 
Außerordentlich schätzenswert war die bei der Kriegsfürsorge erbetene und von dieser 
zewährte monatliche Beihilfe von 1000 6. Hiedurch wurde es möglich, die Nähstube in 
der städtischen Sammelstelle für Kriegsfürsorge das ganze Jahr hindurch fortzuführen. Dort 
zonnten die von der Kriegsfürsorge und Armenpflege zugewiesenen Arbeitslosen mit der 
Wiederherstellung der geschenkten Wäsche- und Kleidungsstücke beschäftigt werden. Manches 
uim den Lebensunterhalt sich schwer sorgende, verzweifelte Mädchen aus dem Mittelstand 
fand hier eine angemessene Beschäftigung; manches schwach begabte erhielt die bislang fehlende 
Anleitung zum Flicken und sehr gern wurde von Kriegerfrauen die Gelegenheit benutzt, in 
der Nähstube das übliche „Staffieren“* der Militärmäntel zu erlernen, durch welche Fertig— 
keit sie später ein besseres Fortkommen fanden. 170 Personen haben bis jetzt die Nähstube 
im alten Stadttheater besucht. Dagegen mußte die schon länger bestehende Nähstube in der 
Stadtmission an Ostern geschlossen werden; denn mit ihr war die Verabreichung von Kost 
verbunden und das ließ sich nicht mehr durchführen. 
Die kleine Herberge des deutsch-evangelischen Frauenbundes, welche auswärts Kom— 
nenden Zuflucht bietet, stand der Polizeipflegerin fast ausschließlich zur Verfügung. 
Da die 5 in Betracht kommenden Heimstätten für Kriegerkinder ständig überfüllt 
waren, entschloß sich die Stadtmission, mit Hilfe der Polizeipflegerin ein gesondertes Krieger— 
kinderheim ins Leben zu rufen. Ein Menschenfreund schuf die finanzielle Grundlage für 
dieses Werk und so entstand schon nach wenigen Wochen Ende Oktober das Kriegerkinder— 
heim im Hause Schonhoverstraße 5, welches 35 Kindern von 1 bis 14 Jahren Plazßg bietet. 
Allen Schützlingen der Polizeipflegerin steht an Sonntagen der freundliche Saal im 
Stadtmissionsheim zu zwanglosem, traulichem Beisammensein zur Verfügung. In welchem 
Alter, in welcher Verfassung sie sich auch befinden, — welcher Religion sie auch angehören — 
sie werden im Heim der Stadtmission aufgenommen. Bedauerlich ist, daß die Polizeipflegerin, 
obschon bereits im Jahre 1914 darum nachgesucht wurde, immer noch keine Möglichkeit hat, 
im Notfalle einen Schützling im Strafgefängnis besuchen zu können. 
Im Interesse der Pfleglinge waren 4016 Gänge zu machen und 1754 schriftliche 
Arbeiten zu erledigen. Für Beherbergung, Kost, Reisegeld, Kleidung usw. wurden 31 128,96 4 
rusgegeben. Von Vereinen, Wohltätern, der Hauptstelle für Gefangenenobsorge, Armen— 
oflege usp. wurden hiervon 30168,96 M ersetzt, sodaß ein reiner Geldaufwand von 960 A 
»erblieb, der aus der Stadtkasse gedeckt wurde.
	        
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