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Behen wir zu den eigentlichen dramatifchen Dichtungen
über. Hans Sachs unterfcheidet CTragödien, Komödien und
Spiele, unter legtere alle jene Stüfe zählend, die er unter den
beiden erften Gattungen nicht hat unterbringen fönnen.
Weiterhin aber teilt er die einzelnen Schaufpiele wieder in
geiftliche, deren Stoff er der h. Schrift und insbefondere
dem alten Teftament, dann auch „anderer geiftlicher Materi“
entnommen, in weltliche, die er aus „alten Hıiltorien der
PDoeten und BGefchichtihreiber” gefchöpft hat, und endlich in
„Saftnachtfpiele mit Schwänfen“. Wie anderswo mit Recht
hervorgehoben ift, verrät die Nebeneinanderftelung geiftlicher
und weltlicher Stoffe, welche einen Unterjchied in der drama:
tifchen Behandlung nicht bedingen, Feinen tiefen Einblik in
das innere Wefen des Schanfpiels, Aber andererfeits befand
fich der Dichter damit in völliger Übereinftimmung mit feiner
Zeit, die darin einen einfchneidenden Unterfchied erblickte, und
es Fommt hinzu, daß er mit feinen geiftlichen Spielen auch
andere Ziele verfolgte als mit feinen weltlichen. War jenen
die Aufgabe zugeteilt, „BGottjeligkeit, Surcht und Liebe Gottes
einzubilden und zu pflanzen“, fo follten diefe aus „den Poeten
und SGefjchichtfchreibern“ Beifpiele vor Augen ftellen, „die zu
Anreizung der guten Tugend und zu Abfchneidung der fchänd-
lichen £after“ dienlich feien. Die Saftnachtfpiele aber nehmen
wegen ihres ganz befonderen Charakters, der fich fchon im
Yamen anfündigt, auch eine ganz befondere Stellung ein.
Sie find mit einem anderen Maße zu meffen. Sie dienen der
$Sröhlichfeit und Luft zu einer Zeit, da ungebundene Sreude,
ja Ausgelaffenheit in ihr ausfchließliches Recht traten. . Der
Dichter felbft fpricht fich dahin aus, daß „die Faftnacht{piele
mancherlei Art, mit [himpflichen Schwänfen gefpidet (doch
glimpflich ohn alle Unzucht) die fchwermütigen Herzen zu
$reuden ermuntern“ follten. Die moralijiche Nuganwendung
fommt da erft in zweiter Linie, war aber nicht ausgefchloffen.
Denn wie die Fabeln und Schwänke find fie „nicht allein
Furzweilig, fondern auch nüßlich zu lefen, weil faft jedes Stück
mit einer angehängten £ehr” endigt.
€s ift auffallend, daß Hans Sachs Tragödie und Ko:
mödie nicht {charf unterfcheidet, Spricht er auch einmal von
feinen fröhlichen Komödien und von feinen fraurigen
Tragödien, fo ftellt er andererfeits Komödie und CTraadödie