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Tugend, vor der alle Unkenfchheit und Lüjternheit [ich {Heu
verbergen muß. Wir dürften die Bibel nicht mehr zur Hand
nehmen, wollten wir von diejer Liebe nichts wifjen.
Harsdörfer will ung aber noch ferner beruhigen, {o gerne wir
ihm diefen Troft auch erließen. Er meint, die Schäferinnen felber
feien ja, bei Licht befehen, nicht weiter als Allegorifierungen der
Tugenden. Und welche treffliHe Gedanken Iafien fich nicht alle
in die Form der Schäferei Kfeiden. Kann man doch von den
Schäfern Tafjo3Z und Öuarinis Jagen, „daß fie nicht Bäurifches an
fich haben, als den Namen und die Kleidung.“ Harsdörfer hat
dabei keine Ahnung von der Graujamfkeit diejeS poetijhen Tot-
Ichlag3, den er zu verüben im Begriffe fteht. So treibt er in
aller Unfhuld der verhängnisvollen Bankerotterklärung des gejamten
Baftorale3 entgegen, daß die Schäfer die Dichter, ihre Schafe die
Bücher, deren Wolle ihre Gedichte, die Hıirden aber ihre freien
Mußejtunden fjeien?). Wer e3 geht HarZzdörfer und feinen Zeit:
genoffen wie den Traumwandelnden ; ficheren Fußes eilen fie, unbe-
wußt der Gefahr, dahin am drohenden Wbgrund.
Harzdörfer bekundet hei Jeiner Überfebung gefunden {prachlichen
Takt. Er beruft fih auf Antonio Perez’ Ausjpruch, daß die
Worte die Einkleidung unjerer Gedanken jeien. Deshalb gilt e3,
überall auf den Ddeutfjhen Sprachgebrauch Bedacht zu nehmen.
Beionder8 frei hält er fi bei der Übertragung der Gedichte.
Vielfach ändert er die Versmaße, manche der Lieder find voll-
jtändig freie Umdichtungen. Wie weit ihm der Wurf gelungen it,
möge aus einem Vergleiche mit {päteren Nacdhdidhtungen erfehen wer-
den °). Den Hirten des Rheins, der Donau und der Elbe gilt feine
Widmung, feine mahnende Aufforderung. Er hofft, e& möchte von
allen deutichen Strömen fich der wetteifernde Dichterfang erheben.
Sch habe das der Zeit nach fpätere, weil wichtigere vorau8-
gejandt. Schon zwei Jahre vorher, 1644, fo glaube ih nämlich
annehmen zu dürfen“), ließ Harsdörfer eine Überfebung von
YoredanosS „Dianea“, aber ganz namenlos ausgehen. „FranceScD
Soredano“ + 16695), ein venetianijcher Nobili und mittelmäßiger
Dichter im Stile Bernis, bedankt fih bei HarZzdörfer yerlönlich