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handlungen; wie wir überhaupt sehen, daß alle eigentliche Kraft im Christentum überall in
das Wort gelegt ist. Die Abweichung hiervon in der katholischen Konfession ist bei uns als ein
Fremdes beseitigt, und erkennen wir es als eine verringerte Christlichkeit“ (XIII, 108). Dar—
aus ergiebt sich: „Das Darstellungsmittel im allgemeinen ist die Sprache, diese
erscheint unter den beiden Formen der gesprochenen Rede und der gesungenen
Poesie. Gesprochene Poesie kommt nicht vor, wäre auch etwas Unnatürliches; gesungene
Rede haben wir noch leider hier und da, wird aber nicht als vollkommen erscheinen“
XII. 83).
Die Musik soll man „nur zur Begleitung des Gesanges und in Beziehung
auf den Gesang“ „auftreten lassen“; am besten findet Verwendung „das Orgelspiel“. Denn
„gewiß hat die Orgel eine besondere Verwandtschaft mit dem Religiösen, weil sie eine Menge
Künsteleien abweist und ein strenges Maß von Virtuosität in sich trägt. Die Anwendung
einer zusammengesetzten Instrumentalmusik ist vom Wesen des Kultus schon entfernter“
(CXIII. 112).
„Alle bildenden Künste, als welche es mehr mit der Gestalt zu thun haben,“
müssen „in dem christlichen Kultus mehr zurücktreten“ (XII, 540). Die „Architektur“ muß
herangezogen werden, weil es unmöglich ist, religiöse Versammlungen im Freien abzuhalten,
„uumal bei uns, wo die Hauptsache die Rede ist“ (XIII, 113). „Die Malerei“ und „die
Plastik oder Skulptur“ können nur „akzessoriale Bestandteile des Raumes, Verzierungen,
Ausfüllungen des Gebäudes“ liefern; „auf den Kultus selbst können sie keine Beziehung
haben, sonst müßten sie wechseln, je nachdem die Darstellung eine andere ist, müßten Deko—
rationen sein“ (XIII, 114). „Die richtige Praxis wäre die Annahme von guten
Werken der Kunst; es besteht, wo einmal Gemälde in der Kirche zugelassen werden, die
entgegengesetzte Praxis; denn ein jeder mittelmäßige Künstler will eins seiner Geisteskinder
doch produzieren, und so schenkt er es den Kirchen, durch welche Liberalität sich dann die
schlechten Gemäldesammlungen in den Kirchen vermehren“ (XIII, 116).
Allgemein ist schließlich das eine noch zu beachten, „daß das eigentümliche Grundgesetz
aller religiössen Komposition das der Simplizität ist und der Keuschheit. Unter dem
letzteren ist dies zu verstehen, daß die technische Vollkommenheit zwar überall sein muß, aber
daß sie nirgends hervortreten darf. . .. Alles, was da ist, muß reines Darstellungsmittel sein“
II. 02).
Gehen wir nun über zu den „Darstellungsmitteln“ im einzelnen, so läßt sich
„sagen, daß unserem Gottesdienste zwei gewissermaßen entgegengesetzte Ele—
mente scheinen wesentlich zu sein, das eine, wodurch er immer derselbe ist, und
das andere, wodurch er jedesmal ein besonderer wird. Zu dem letzten gehört die
Predigt, das Gebet, sofern es sich an die Predigt anschließt oder auf die besonderen Um—
stände der Gemeinde bezieht, und der Gesang in demselben Maß. Zu dem ersten gehört der
Gebrauch der Bibel und der allgemein kirchlichen Symbole“, überhaupt alle „litur—
gischen Formulare“, „worin sich die Einheit der Kirche abspiegelt. Aber es ist einleuch—
tend, daß diese beiden Elemente nicht nur in jeder vollständigen gottesdienstlichen Handlung
verbunden sein müssen, sondern daß sie auch jedes etwas vom andern an sich haben und so
ineinander übergehen. In der Predigt ist dieses immer dasselbe, daß sie an einen biblischen
Text gebunden ist, im Gesang dieses, daß er aus einer feststehenden Sammlung genommen
wird, und so scheint es natürlich und für die Harmonie des Ganzen notwendig, daß auch die
liturgischen Formulare dadurch wiederum sich an das besondere anschließen können, daß eine
Sammlung derselben vorhanden ist, welche Abwechslung darbietet. Dann kann der amtie—
rende Geistliche wählen in Übereinstimmung mit der besonderen Richtung, welche er der Ge—
meinde gegeben hat oder geben will, und auch seine individuelle Freiheit und Eigentümlich—
keit behaunpten, indem er sich vorwiegend an diejenigen Formulare hält, welche die Seite
iedes Gegenstandes am meisten hervorheben, die ihm am meisten am Herzen liegt“ (V, 174 f.).
Die Predigt, obgleich der individuellste Teil des Gottesdienstes, bleibt doch immer
nur ein Mittel „der gemeinsamen darstellenden Mitteilung des religiösen Bewußtseins“. „Wir
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