Erster Abschnitt. Zweck und Mittel der nürnbergischen Buchführung. 287
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Aufgabe der „Rechnung der Stadt,“ welche alljährlich unmittelbar vor
der Ratsveränderung in Gegenwart der vom Rat dazu deputierten Herren
„gelegt“ wird.
Wir gebrauchen das Wort „Rechnung legen“ heutzutage nur noch
in der übertragenen Bedeutung von „Rechenschaft geben.“ Ursprünglich
besagt es aber weiter nichts, als etwas durch Hinlegen von Zählkörpern
ausrechnen, und dies ist auch der Sinn, der ihm in unserer Epoche inne-
wohnt. Als Zählkörper dienten in Nürnberg wie anderwärts Rechen-
pfennige aus Kisen- oder Kupferblech. Zur Vereinfachung des Verfahrens
wurden sie auf ein über den Tisch ausgebreitetes „Rechentuch“ gelegt,
dessen Eigentümlichkeit darin bestand, dafs es durch rechtwinklig sich
kreuzende Striche in zwei Felderreihen geteilt war. Jedes Feld verlieh
dem darauf gelegten Rechenpfennig einen bestimmten arithmetischen Wert
Es galt z. B. in der einen Felderreihe der Pfennig auf dem ersten Feld
einen, auf dem zweiten zehn, auf dem dritten hundert, auf dem vierten
tausend u. s. w., während die Felder der anderen Reihe die Zwischenwerte
einhalb, fünf, fünfzig, fünfhundert u. s. w. darstellten. Jedem Felde war
das seinem Werte entsprechende römische Zahlenzeichen aufgemalt, sodafs
solch ein Rechentuch etwa folgendermafsen aussah”):
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uf
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48
Vmn
EN DO
ZZ DD aa
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Mit Hilfe eines derartigen Schemas, auf dessen Benutzung sich das
ganze, uns, die wir schriftlich zu rechnen gewöhnt sind, so unbeholfen
dünkende römische Zahlensystem aufbaut, liefs sich durch das Hinlegen
und Fortnehmen von Rechenpfennigen jede beliebige Addition und Sub-
traktion in einfacher Weise und ohne viel Kopfzerbrechen ausführen.
Wer z. B. die Zahl III” DCCLXXXVII darstellen will, der legt auf Feld
M drei, auf D einen, auf C zwei, auf L einen, auf X drei, auf V einen
und auf I zwei Rechenpfennige. Und um zu der Zahl III” DCCLXXXVII
die Zahl DCCCXXIX hinzuzuzählen, fügt man zu den bereits daliegenden
Rechenpfennigen auf Feld D einen, auf C drei, auf X zwei hinzu und
1) Rechentücher, die im Mittelalter die Stelle des römischen Rechenbrettes (tabula)
vertreten, werden in den Nürnberger Registern mehrfach erwähnt. Im Original ist,
soviel uns bekannt, keines erhalten. Wir behelfen uns daher mit der Annahme, dafs
ihre Einteilung genau derjenigen entsprach, die durch das römische Ziffernsystem