I. Der hürnen Seufrid.”
Während literarische Neuheiten von allgemeinerem Interesse
meist bald nach ihrem Erscheinen von Hans Sachs für seine
Dichtung ausgebeutet wurden, dauerte es etwa zwanzig Jahre,
bis der Dichter sich zur dramatischen Behandlung des Sieg-
friedsliedes entschloss. Der Grund dieser auffallenden KEr-
scheinung liegt einerseits in dem allgemeinen Verhältnisse des
Dichters zur Heldensage (vgl. die Kinleitung), andrerseits
aber in seiner künstlerischen Entwicklung. Hans Sachs war, als
das Siegfriedslied erschien, noch nicht zur dramatischen Behand-
lung derartiger Gedichte vorgeschritten. Bis zum Jahre 1544 hatte
er in seinen grösseren Dramen, abgesehen von der Bibel, nur
Stoffe classischen oder humanistischen Ursprungs?) behandelt,
in dem genannten Jahre jedoch greift er in der freieren Form
des Fastnachtspieles zum ersten Mal einen Stoff der Renaissance-
literatur auf, der aber zunächst —- und dies mag für ihn be-
stimmend gewesen sein — noch in der Sphäre des landläufigen
Fastnachtspieles und Schwankes liegt, nämlich den „schwangern
pawer“ nach Boccaccio Dec. 10, 3; es ist dies zugleich das
erste seiner Fastnachtspiele, welches sich nicht ohne Orts-
wechsel denken lässt. Hiermit setzt die lange Reihe derjenigen
dramatischen Bearbeitungen ein, deren Stoffe aus Boccaccio,
1) Gedruckt bei Keller-Goetze 13, 334 ff,;; Hallenser Neudrucke
No. 29. Nach der Handschrift des Dichters herausgegeben von E. Goetze
1880: Tittmann, Dichtungen von Hans Sachs®. 3. Theil. Leipzig 1885.
2) So Lucretia, Virgina, Henno, Pluto, Caron mit den abge schiedenen
yeisten u, 8a.