Volltext: Die Nürnberger Reformation und das Recht der Reichsstädte Dinkelsbühl und Rothenburg ob der Tauber

Zunächft wird darauf hingewiefen, daß in Nürnberg ‚kraft bejonderer fönig- 
licher und Kaijerlidher Freiheiten‘ eine befondere Regelung getroffen jei, da „die 
gemeine ge[hribdne Recht“ die Teftamentserridhtung äußerft weitläufig und un= 
überfichtlidH ordnen würden. Dabei bleibt es dem Bürger vorbehalten, vb er 
fih des gemeinen oder des Nürnberger Rechtes bedienen will. Im legteren Falle 
bat er feinen leßten Willen jelbjt oder durch einen anderen niederzulegen. Die 
eigentlide Teftamentserridhtung erfolgt dann in Gegenwart zweier Genannter, 
welde das Schriftftüd verlejen, Jhkießen und verfiegeln und endlidH in Ber- 
wahrung nehmen. Stirbf der Teftator, jo haben fie das Tejtament der Obrig- 
feit bzw. der Stadtfanzlei zu übergeben. In der „Zeit der beforglidhen Sterbs- 
leufden“, wenn etwa Seuchen ausbrechen, ijft es zur Entlaftung der Genannten 
auch geftaftet zwei andere glaubwürdige Männer beizuziehen. Doch müffen diefe 
nad dem Tode des Teftators fjelbfit vor dem Stadtgericht erfheinen und be- 
Iowören, daß das Tejltament richtig und „ohn allen Betrug“ errichtet wurde. 
Der Kreis der nicht teftierfähigen Perfonen ift genau bezeichnet. Der 
Knabe fann vor Vollendung des 14., das Mädchen vor Vollendung des 
12. Lebensjahres ein Teftament nicht errichten, ebenjowenig wie dies den Geiftes- 
Iowachen und Geiftesfranfen, dem Berjhwender und dem taub und ftumm Ge=- 
borenen ermöglicht ift. Dagegen hat das Tejtament eines Blinden Rechtskralt, 
wenn es vor zwei Genannfen oder vor Gericht errichtet ift. 
Der gefeßlihe Erbteil der Kinder beträgt bei einem bis vier Kindern ins- 
gejamt ein Drittel der Erbichaft, bei fünf und mehr Kindern die Hälfte. Dabei 
werden die Mannlehen nicht zum gejeBßlidhen Erbteil gerechnet. Die ohne recht- 
lien Grund Enterbten oder ftilljhweigend umgangenen Kinder können das 
Teltament anfedhten. Die Erben haben das Tejtament zu erfüllen, fie fönnen aber 
einen zu bo berechneten gefeßlihen Dflichtteil auf das richtige Maß herab- 
Teben. 
Zehn Gründe fennt die Reformation, aus denen Kinder und Enkel ent 
erbt werden önnen: 
1. wenn fie „frevle Hand an die Eltern gelegt“ und fie gejhlagen hatten; 
2. wenn fie die Eltern verleumdet und gefjhmäht haben; 
3. wenn fie die Eltern „umb peinlide Sachen beclagt heten“; 
4. wenn fie den Eltern nad dem Leben gefrachtet haben; 
5. Wenn fie mit Stiefeltern „ungiemlidhe Lieb und Werd“ getrieben haben; 
6. wenn fie für ihre Eltern nicht gutftehen oder Bürge werden wollten, 
oder diefen auch fonft nicht nah beftem Vermögen halfen, um fie aus der Schuld- 
haft zu befreien, in die fie geraten waren; 
7. wenn fie die Eltern bei der Teltamentserrichtung beeinflußt haben oder 
beeinfluffen wollten; 
8. wenn fie einen leidtfertigen und unehrlihen Lebenswandel führen, es 
jei denn, daß bei den Eltern das gleiche vorliegt; 
9, wenn „ein Tochter oder Enigflin, über das die Eltern nad irem Ver- 
mögen fie mit Eerliden Seyraten verfehen wöllen, denfelben nit gefolgt und 
fi in ein unzüchtig und fündlidh leben begeben hete“; 
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