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Wir wollen uns deshalb — und wir wüßten keinen geeigneteren
Platz hiezu — zur Abermaligen kurzen Rast unter der schattigen Baum—
anlase, bei einem Glas perlenden Rheinweins auf der Stätte der That
in der Nähe der von den Nürnbergern und Fürthern vielbesuchten Wirt—
schaft niederlassen, um der Schilderung zu lauschen, die Schiller in seinem
30 jährigen Krieg von diesem Sturm auf die alte Veste gibt, nachdem er
berichtet hat. daß Wallenstein wieder Oberbefehlshaber des kaiferlichen
Heeres geworden, sich mit den baverischen Truppen unter Uurfuürst
RMaximilian vereinigte.
„Die vereinigten kaiserlichen Cruppen“, so fährt er fort, „machten
eine Urmee von beinahe sechzigtausend, größtenteils bewährten, Soldaten
aus, vor welcher der schwedische Monarch es nicht wagen durfte, sich im
Felde zu zeigen. Eilfertis nahm er also, nachdein der Versuch, ihre
Vereinigung zu hindern, mißlungen war, seinen Rückzug nach Franken und
erwartete nunmehr eine entscheidende Bewegung des Feindes, um seine
Entschließung zu fassen. Die Stellung der vereinigten Urmee zwischen
der sächsischen und bayerischen Grenze ließ es eine Zeit lang noch un—
gewiß, ob sie den Schauplatz des Kriegs nach dem ersteren der beiden
Tänder verpflanzen, oder suchen würde, die Schweden von der Donau zurück—
zutreiben und Bayern in Freiheit zu setzen. Sachsen hatte Urnheim von
Truppen entblößt, um in Schlesien Eroberungen zu machen, nicht ohne
die geheime Absicht, wie ihm von vielen Schuld gegeben wird, dem Herzog
von Friedland den Eintritt in das Kurfürstenthum zu erleichtern und dem
unentschlossenen Geiste Jolsann Georgss einen dringenderen Sporn zum
Vergleich mit dem KNaiser zu geben. Gustav Adolf selbst, in der gewissen
Erwartung, daß die Absichten Wallensteins gegen Sachsen gerichtet seien,
schickte eilig, um seinen Bundesgenossen nicht hülflos zu lassen, eine
ansehnliche Verstärkung dahin, fest entschlossen, sohald die Umstände es
erlaubten, mit seiner ganzen Macht nachzufolgen. Aber bald entdeckten
ihm die Bewegungen der Friedländischen Armee, daß sie gesen ihn selbst
im Anzug begriffen sei und der Marsch des Herzogs durch die Oberpfalz
setzte dies außer Zweifel. Jetzt galt es, auf seine eigene Sicherheit zu
denken, weniger um die Oberherrschaft, als um seine Existenz in
Deutschland zu fechten und von der Fruchtbarkeit seines Genies Mittel
und Rettung zu entnehmen. Die Aunäherung des Feindes überraschte ihn,
ehe er Zeit gehabt hatte, seine durch ganz Deutschland zerstreuten Truppen an sich
zu ziehen und die alliierten Fürsten zum Beistaud herbeizurufen. An Mannschaft
biel zu schwach, um den anrückenden Feind damit aufhalten zu können,
hatte er keine andere Wahl, als sich entweder nach Nürnbers zu werfen und
Gefahr zu laufen, von der Wallensteinischen Macht eingeschlossen und
durch Hunger besiegt zu werden — oder diese Stadt aufzuopfern und unter
den Uanonen von Donauwörth eine Verstärkung an Truppen zu erwarten.
Gleichgiltig gegen alle Beschwerden und Gefahren, wo die Menschlichkeit
sprach und die Ehre gebot, erwählte er ohne Bedenken das Erste, fest
entschlossen, lieber sich selbst mit seiner ganzen Urmee unter den Crümmern
Nürnbergs zu begraben, als auf den Untergang dieser bundesverwandten
Stadt seine Rettung zu gründen.