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Wenn nun auch bei der großen Sterblichkeit, die in der alten
Reichsstadt ganz besonders unter den Kindern herrschte, nicht an—
zunehmen ist, daß sämtliche sechs Kinder Barbaras aus erster Ehe
am Leben blieben, so waren es doch jedenfalls mehrere, die in
dans Sachs einen zweiten Vater fanden. Es muß aber einen eigen—
artigen Anblick gewährt haben, wenn der fast siebenundsechzigjährige
Mann das jüngste Bübchen, Adam, das bei der Wiederverheiratung
seiner Mutter erst 9 Monate zählte, auf seinen Knieen wiegte,
und ringsumher eine blühende Kinderschaar spielte.
Barbara Endres oder Barbara Harscherin, wie sie Hans Sachs
mit ihrem Mädchennamen zu nennen liebte, war erst siebenund—
zwanzig Jahre alt, als sie Hans Sachs die Hand zum Ehebunde
reichte; es bestand also zwischen ihr und ihrem neuen Gatten, der
am 5. November 1494 geboren war?d), ein Altersunterschied von
fast vierzig Jahren! Man muß sie also ihrem Manne gegenüber
immerhin als jung bezeichnen, und es ist wohl begreiflich, daß ihre
körperlichen Reize trotz der sechs Kinder, die sie geboren, den bejahrten
Dichter noch einmal zu einem feurigen, jugendlich begeisterten Lieb—
haber machten. Ja, sie muß von bezaubernder Anmut gewesen
sein, da Hans Sachs in dem ihr gewidmeten Gedicht „Das künstlich
Frauenlob“ sich zu einer Höhe der Erotik erhebt, wie man sie bei
ihm nicht wiederfindet. Man merkt aus jedem Worte des Gedichtes,
daß er nicht aus bloßen Verstandeserwägungen, sondern weit mehr
aus inniger Herzensneigung diesen Bund geschlossen hatte.
Wie stand es nun mit Barbara? Welche Beweggründe ver—
anlaßten sie, dem viel älteren Manne die Hand zu reichen? Sie
hätte doch, sollte man meinen, bei ihrem einnehmenden Wesen wohl
so) Den 5. November 1494 bezeichnet Hans Sachs selbst in dem Gedicht
„Summa“ (Tüb. Ausg. XXI, 337) als seinen Geburtstag mit dem Beifügen,
daß damals, im Jahre 1494, ein erschreckliches Sterben in Nürnberg regierte.
Erst die letztere Angabe, die durch gleichzeitige Chroniken und andere zuver—
lässige Quellen ihre Bestätigung findet, wird das Jahr 1494 als sein Geburts—
sjahr erhärtet; denn nach seinen eigenen Altersberechnungen, die er gelegentlich
bringt, könnte man im Zweifel sein, ob er 1494 oder 1495 zur Welt gekommen
ist. So sagt er in dem Spruchgedicht „Der Jungbrunn“, das am 5. Nooeniber
1557, also an seinem Geburtstag, niedergeschrieben ist (Tüb. Ausg. IV, S. 442):
„Alt bist du 62 jar“. Darnach müßte er also 1495 geboren sein. Ferner
äußert ev sich in der Vorrede zu dem Verzeichnis seiner Büchersammlung (Schnorr's
Archiv VII, S. 1): Anno salutis 15662 am 28. tag january meins alters im
67. jar“. Hiernach müßte er am 5. November 1561, an seinem Geburtstage,
bb Jahr gewesen und also ebenfalls 1495 geboren sein.