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dieser Richtung in Gelehrtenkreisen verdanken wir die erste ein-
gehende und liebevolle, wenn auch dem damaligen Zeitgeiste ent-
sprechend weitschweifige und unkritische Geschichte des Meister-
gesanges von dem Altdorfer Universitäts-Professor Johann Christoph
Wagenseil (1697). Die Kenntnis der Gelehrten baute sich auf wirk-
licher Einsichtnahme in die Werke Hans Sachsens auf. Wagenseil
berichtet, Gottfried Thomasius habe ihm „zwey Bücher voller
Meister-Singer-Lieder communicieret, deren das eine in folio, das
andere in quart-format geschrieben“. „Das Buch in quart-format
hat Hanns Sachs mehrentheils geschrieben.“ ! Es ist die Dresdner
Handschrift M. 97 (jetzt M. 192)? und sie gehört zu jener Gruppe
von Handschriften, die Hans Sachs für andere Meistersänger schrieb. ?
Die Folio-Handschrift ist die Dresdner Handschrift M. 10, sie ent-
hält zum Teil Gedichte von Hans Sachs. Der Nürnberger Arzt
Gottfried Thomasius, dessen Dienstfertigkeit Wagenseil rühmend her-
vorhebt, sammelte Handschriften und aus seiner Bibliothek hat Gott-
sched gegen fünfzig deutsche Handschriften erworben, darunter die eben
erwähnten Dresdner Handschriften M. 97 (M. 192) und M. 10. Die
Gelehrtenfamilie Thomasius hat bei ihrer Pflege literarischer Inter-
essen auch zum Ruhme Hans Sachsens ihr Teil beigetragen, Gott-
fried Thomasius durch seinen Sammeleifer und sein Bruder, der
berühmte Rechtslehrer Christian Thomasius durch die literarische
Schätzung, die er Hans Sachs zuteil werden ließ. Gottsched, dessen
Stellungnahme in der Hans-Sachs-Frage besondere Beachtung ver-
dient, war mit Gottfried Thomasius befreundet und namentlich seine
„geschickte Freundin“ stand mit des letzteren gelehrter Tochter in
schriftlichem Verkehr. Gottsched hat aber auch selbst den Boden
Nürnbergs betreten und dort den Meistersängern Handschriften ab-
gekauft. * Von Leipzig kamen die Handschriften später nach Dresden
und Weimar und zwar an die Dresdner Bibliothek mit der Bücher-
sammlung der Gesellschaft der freien Künste in Leipzig. ©
ı Wagenseil a. a. 0. S. 501—502.
2 F. Schnorr von Carolsfeld, Katalog der Handschriften der
Kgl. öff. Bibl. zu Dresden, 2. Bd., Leipzig, 1883, S, 490.
3 Schnorr, Zur Geschichte des deutschen Meistergesanges, S. 7, 8.
4 Er berichtet darüber in seiner Prolusio academica (1750). Vgl. auch
Ranisch a. a. O0. S. 1743.
5 Goetze in Schnorrs Archiv 7 (1878), 281. Schnorr, Z. Gesch.
aA. dt. Me... S. 2.