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wird. Selbst Dürer hat das noch vielfach. Erst die Niederländer 
gaben nach und nach einen richtigen perspektivischen Hintergrund in 
der Zeichnung und den fernliegenden Gegenständen die richtige Farbe, 
in der sie bei der zufälligen Beleuchtung erscheinen. 
Tiefes Gefühl und Innigkeit des Ausdrucks liegt in den Gestalten, 
die vorzüglich um das Grab komponiert sind. Joseph von Arimathia 
hält den Kopf des Leichnams, und Nikodemus die Beine; behutsam 
wollen sie ihn in das Grab legen. Maria drückt in ihrem stummen 
Schmerze den letzten Kuß auf die kalte Wange des Sohnes. Die Kopf— 
haltung mag unmöglich sein, jedoch giebt die Gestalt sehr gut den unaus— 
sprechlichen Schmerz wieder, den eine Mutter fühlt, die ihren toten Sohn 
zum letzten Mal sieht. Maria Magdalena kniet an der Ecke des Grabes 
und ringt schluchzend die Hände. Wie wahr ist der Schmerz im Antlitz und 
in der Hallung der Hände ohne Übertreibung wiedergegeben! Man 
glaubt ihr Schluchzen zu hören. Die Frau hinter Joseph legt die 
rechte Hand auf ihre Brust, der ein Seufzer entschlüpft; die hinter dem 
Leichnam stehende faltet klagend die Hände, eine andere hat ihr Gesicht 
weinend weggewendet und bedeckt es mit ihrem Tuche. Johannes mit dem 
lockigen Haar schlägt die Hände zusammen, als könne er den Verlust des 
Heilands nicht fassen. Wie wahr ist das Zusammenschlagen der Hände 
der Natur abgelauscht! In den zwei noch übrigen Gestalten, die dem 
Grabe etwas ferner stehen, verstand der Meister ein empfindungsvolles 
Motiv zu geben. Die Frau reicht dem vor ihr stehenden Mann die 
Salbenbüchse zu. Leise spricht sie zu ihm, um die Trauernden nicht zu 
stören, und er neigt verständnisvoll den Kopf zu ihr. Alle diese Ge— 
stalten sind individuell; jede hat ihr eigenes Gemüt, ihr besonderes 
Benehmen. Der Leichnam bildet eine schöne Linie, nicht hart wie auf 
der Deckerschen Grablegung (Tafel J, 1). Um die nackten Teile mehr 
hervortreten zu lassen, benutzte Krafft das faltenreiche Tuch. Prägt sich 
in allen Köpfen das Portraithafte aus, so zeigt das wahrhaft würdige 
Antlitz Christi idealisierte Z—Ige. Noch ein wenig ist der Mund geöffnet, 
als wolle er vor Todesschmerzen weiter seufzen. Der Körper ist mit 
feinem anatomischen Verständnis gebildet, und die Arme zeigen noch die 
angeschwollenen Adern. 
Je mehr wir diese Gruppe bewundernd betrachten, desto schöner 
erscheint sie uns, desto mehr leben wir mit den Leidtragenden. Dabei 
vergessen wir dann im Augenblick ganz die schönen Grablegungen 
anderer bedeutenderer Meister. Für den Moment scheint ihr mächtiger 
Eindruck alles andere in uns verdrängt zu haben, und so kommt es
	        
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