60
Erster Teil. Der Rat,
waren es politische Gründe, welche den Rat veranlafsten, acht Handwerker
als „Genannte aus den Handwerkern“ in seine Mitte aufzunehmen. Gleich
den Alten Genannten begegnen sie uns in den Ratslisten zum ersten Male
im Jahre 1370. Schon vorher aber werden bei wichtigen Verhandlungen,
z. B. bei dem Austrag der Streitigkeiten mit dem Burggrafen vor dem
Kaiser im Jahre 1362, einzelne Handwerker hinzugezogen. Ebenso erscheint
bereits in der ältesten auf uns gekommenen Stadtrechnung vom Jahre 1377
ein Handwerker als Mitglied der vom Rat eingesetzten Rechnungsprüfungs-
kommission. Dadurch gewinnt es den Anschein, als habe sich die Re-
zeption der Handwerker in den Rat in der Weise vollzogen, dafs an be-
sonders wichtigen Angelegenheiten, wie es eben die Verhandlungen vom
Jahre 1362 und die jährliche Rechnungsablegung waren, einzelne angesehene
Handwerker beteiligt wurden, aus denen sich allmählich ein fester Kreis
von acht Vertretern der einflufsreichsten Gewerbezweige herausbildete, dem
der Rat einen regelmäfsigen Anteil an seinen Beratungen gewährte.
Den ersten Anstofs zu dieser Entwicklung mögen die Handwerker-
anruhen gegeben haben, von denen Nürnberg im Jahre 1348 heimgesucht
wurde. Die Leitung der städtischen Politik hatte bis dahin ausschließlich
in den Händen der Sechsundzwanzig Bürgermeister gelegen. Als An-
gehörige der patrizischen Geschlechter waren diese vorwiegend Vertreter
der Interessen des Grofshandels und demgemäfs gleich ihren Standesgenossen
in den anderen deutschen Städten wenig geneigt, dem. seit Ausgang des
dreizehnten Jahrhunderts in den Handwerkerkreisen immer stärker hervor-
tretenden Verlangen nach Einschränkung der freien Konkurrenz zu Gunsten
der ortsansässigen (jewerbetreibenden entgegen zu kommen, oder gar den
Handwerkern selbst einen maflsgebenden Einfluls auf die Gesetzgebung und
Verwaltung der Stadt einzuräumen. Die Handwerker benutzten daher im
Jahre 1348 eine, vermutlich infolge der deutschen Thronwirren unter den
Geschlechtern entstandene Spaltung, um, gestützt auf die bayrische Partei,
den in seiner Mehrheit böhmisch gesinnten Rat aus der Stadt zu verjagen
und sich auf eigene Faust eine Zunftverfassung zu geben. Aber schon
im folgenden Jahre machten die Söhne Kaiser Ludwigs Frieden mit
Karl IV. Die Vertriebenen erzwangen sich die Rückkehr in die Stadt
und das Zünftlerregiment nahm ein jähes Ende. Zwar ging der Rat nicht
so weit, das Koalitionsrecht der Handwerker nun ganz zu beseitigen, doch
behielt er sich fortan eine so weitgehende Aufsicht über sie vor, dafs ihre
Verbände oder „Ämter“ jeder politischen Macht entkleidet und zu unter-
geordneten Verwaltungsorganen herabgedrückt wurden. Dafs ungefähr
um dieselbe Zeit je ein Angehöriger der acht angesehensten Gewerbezweige
Sitz und Stimme im Rat erhielt, dürfte viel dazu beigetragen haben, die