Inhaltsverzeichnis: Albert Dürer

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Maria ist eine Nürnberger Braut mit ihren Brautjungfern, die wohl 
von Raphael's Maria im Sposalizio an holder Anmuth übertroffen wird, 
aber der Hohepriester in vollem Schmucke, der Joseph in großartigster 
Gewandung, sind Gestalten, die der göttliche Urbiner an Kraft und Größe 
nicht erreicht, viel weniger übertroffen hat. Charakterköpfe von Zuschauern 
und das magische Dunkel der Tempelhalle vollenden das Ganze zugleich 
zu einer unübertrefflich malerischen Scene. Die Verkündigung, Heim— 
suchung, Geburt und Anbetung des neugeborenen Heilandes füllen die 
nächsten drei Blätter. Ihnen folgt die Beschneidung, eine Darstellung 
dieses wenig malerischen Herganges, die uns darüber erstaunen läßt, was 
der Dichtergeist des Meisters aus einer anscheinend so ungünstigen, ja 
widerstrebenden Aufgabe gemacht hat. Die großartige Würde der Priester, 
die den Act vollziehen, die schmerzliche Theilnahme der Mutter, vorn die 
Gestalt eines Mannes, welcher die geweihte Kerze trägt, und eine reiche 
Versammlung von Zuschauern, die wie unmittelbar aus dem Leben ge— 
griffen erscheinen, bilden mit der großartigen Architektur der Tempelhalle 
ein über alle Beschreibung würdiges und fesselndes Bild, was noch dazu 
durch die höchste Kunst des Holzschnittes zu einer Wirkung erhoben ist, 
wie sie nur das vollendetste Bild haben könnte. 
Ganz ebenbürtig schließt sich die Präsentation des Jesukindleins im 
Tempel an, mit den wunderbar eigenthümlichen Gestalten des greisen 
Simeon und der Prophetin Hannah. Die Flucht nach Aegypten in der 
reichsten phantastisch morgenländischen Landschaft und ein Bild des reizend— 
sten Stilllebens der heiligen Familie füllen die nächsten Blätter. Maria 
sitzt in wahrhaft holdselig anmuthiger Mütterlichkeit spinnend an der 
Wiege des Kindes, von anbetenden Engelgestalten umgeben, auf dem Hofe 
ihres Hauses im Freien. Der alte Zimmermann Joseph behaut in 
ruhiger Emsigkeit einen mächtigen Balken, während ein Trupp geflügelter 
Kinder, des schlafenden Heilandes Spielgefährten, mit komischer Ernst—⸗ 
haftigkeit die fallenden Späne in einen mächtigen Korb sammelt. Hoch 
oben in himmlischer Ferne blickt Gott Vater, umschwebt vom heiligen 
Geist, segnend auf die liebliche Scene herab. 
Auf dem folgenden Bilde sehen wir den zwölfjährigen Heiland im 
ernsten Gespräch mit den Gottesgelehrten des Tempels und die be— 
kümmerten Eltern, die den Vermißten wiederfinden. Das nächste zeigt 
uns den schmerzlichen Abschied des gereiften Mannes von der ahnungsvoll 
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