Objekt: Mein Kriegs-Tagebuch vom 29. Juli bis 1. September 1870

denn dies inmmerwährende Borwärtsgehen auf den verfchiedenen Straßen glich 
bon unferer Seite dem Nebergehen zur Offenfive, die man nach dem großen 
Sefchrei der Franzöfiflhen Oranden eigqentliG von gequeriicher Seite er: 
wartet Hatte. 
Ehesheim, das unfer Marfchziel mar und an der Bahn und Straße nach 
Candau liegt, war bald erreicht. Die Quartiermacher Hatten ihre Arbeit noch 
nicht vollendet, da zugleidh mit ihnen aud) die des Prinzen Albrecht ankamen, 
und wir marteten daher vorläufig im Chauffeegraben auf die Ankunft der 
Uuartierbillete. IH fam zum dortigen Brauer und S®ajjtwirth F., defen Ver: 
önlichfeit, Jamilie und Fabrikat mich fehr anjpracd, 
Gr felbit hatte nicht die mindefte Hurcht, einft Franzojen bei fich zu fehen 
And war, feitdem jeder Tag neue MAotheilmigen nad) Vorwärts dıriairte, ganz 
außer Sorge, 
Seine Tochter glaubte mahricheintich durch großartige Sütterung fämmt: 
licher im Haufe einquartierter Soldaten audz ein Scherflein zum großen Wert 
beitragen zu fönnen und mar unabläffig bemüht, Leere Teller und Öiläfer durch 
„olle zu erfeben, — ein Samariterwvert, das alle Anerkennung verdient. 
Soldaten anderer Truppentheile kamen 1un8 jebt immer Häufiger zu 
Weficht, vornehmlich Kavallerie. Schlefifche Kürajfiere faßen inmitten eines 
Schwarnes Bayern und vermaffenbrüberjhaftlichten fidh nach Herzensluft ; an 
"oldhen Tifhen ging c8 befonders fröhlich zu; da rechnete man jdhon den gan: 
jen Feldzug aus, Io Haarkfein und fo ficher, daß es Moltkfe'n imponirt Hätte. 
Die und da wurde au „die Wacht anı Nhein“ angeftinmt, die aber nur fo 
lange im Schwung war, al8 der Regen in den folgenden Bivonaks die in 
Nürnberg empfangenen Tertblätter dazı noch nicht verweicht Hatte. Dann 
wurden Arndt, Körner und Schnecfenburger al8 übermundener Standpunkt 
betrachtet und zurücgefehrt zum melodiöjen Volkslicd : 
Wir figen fo fröhlich beifanımen, 
Und haben einander fo Vieh, 
Wir verfüßen einander das Leben, 
Ah wenn e8 nur immer fo blie—hi hieb. 
yür den folgenden Tag erging fein Marfjchbefehl. Nun, hier Hätte die 
„Wacht am Rhein“ abiolut Feine Schwierigkeiten gehabt. Abends kam der 
unter Tags bielbefhäftigte Brauer und SajtwirthH in eigener Perfon zu 
mir, unter den Armen verichiedene Slaichen, die wahridheinlidh der Kellerfa: 
friltet entitammten, meil er ihnen gar jo freundlich zulächelte, 
Dies Vächeln trug lich bald auch auf mich über, denn 
Nähert fich foldh einem Schoppe, 
Mein Gerz... . . dann überwallt’s, 
„S 18 halt e verflucht feiner Troppe,“ 
30h fegne die Hügel der Pfalz. 
Srit nachdem der Machwächter bereits die Seifterftunde der fhlafenden Menfch: 
heit (aut und vdernehnlich verkündet hatte, und in der Wirthsjtube die noch 
jechenden Säfte durch den „Ar der Serechtigkeit“ an ihre Bürgerpflichten, 
ventuell an 1 fl. 30 fr. Strafe erinnert wurden, erklärten auch) mir die Sibung 
ür aufgehoben und buglirten unfjere Wenigkeiten zur Ruhe, 
2, Anguft. 
Mit der Morgenfonne, die vorläufig bon ganz Cbesheim nur der Hahn 
uf dem Kirchthurm genoß, geruhte ich aufzumwachen, mic zum Fenfter hinaus- 
ulcgen und bläulihen Dampf in geometrifch richtig geformten Rreisperiyherien
	        
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