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Was bedeutet wohl Werth und Begriff „Ganerben“?
Ersteres leitet sich vom altfränkischen Gan — gemein —
Gemeinerben, oder nach Anderen auch von gan — gehen —
Geh-Erben, haeredes accelerantes, her; eine seither noch
nicht angezweifelte Wortableitung. e 3, ⸗
Die Ganerbschaft-Verbindung fand für die Folgeunter
gräflichen, adeligen, vornehmen Standespersonen und Familien
—
gegenseitigen Schutzes und der Vertheidigung ihrer gemein—
samen Habe gegen feindliche Anfälle, und zwar nennt man
im zwölften Jahrhundert ihr Entstehen eine Frucht des
damals herrschenden Faustrechtes und seiner Wirrsale.
Man kann sich wohl bei der damals rauhen, ungefügen
Zeit lebhaft in das Leben und Treiben solcher auf einem
Bergschlosse hufenden und hausenden Ritter, ihrer Frauen und
Kinder, des Gefolges und der Meute in oft nicht sehr ein—
helligem Partnerthum denken. Freitag in seinen Bildern
aus deutscher Vergangenheit, Riehl in seinen kulturhistorischen
Novellen, Spindler in seinen „Jiden“ (und Dieser wohl am
anschaulichsten) schildern solch ein adeliges Beisammensein,
das nicht immer unter die Stillleben gerechnet werden durfte,
da ja ein getretener Gaul, ein verlegter Zügel, ein entwendet
Hufeisen, eine verschrenkte Armbrustsehne, sowie ein harrsches
Wort bei Zinnkrug und Würfelknochen, abgesehen von der
Frau Minne Walten und Tücken, jederzeit Fehde mit
bewehrter Faust hervorzurufen im Stande war. Und dabei
immer starres, ehrliches Zusammenhalten auf Leib und
Leben, wenn Ansturm von außen drohte!
Einer so geschilderten Verbindung Ortssitz war nun das
Ganerbenhaus, ihr Haupt der Burggraf oder Burgherr, auch
Burgpfleger. Und hier stoßen wir in verschiedenen, gleich—
zeitig geführten Jahrbüchern jener Zeitläufe auf eigenthümliche
Widersprüche. Der von Professor Fuchs angeführten
Geschichtserzählung entgegen nennt die sogenannte graue
Chronik ohne Ortsangabe schon 1363 einen edlen Lotzgo von
Weilheritz als Burggrafen von Rothenberg, sowie die Ritter
Albert von Freisdenberg und Dietherr Tierriegel als Burg—⸗