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Erster Teil. Der Rat.
Diese Rangordnung wurde jedoch aus politischen Rücksichten in
doppelter Weise durchbrochen. Erstens nämlich durften die beiden Rats-
mitglieder, welche mit der obersten Leitung der städtischen Finanzen be-
traut waren und allein schon wegen dieser Vertrauensstellung das gröfste
Ansehen im Rat genossen, nie einen der beiden ersten Plätze einnehmen:
es sollten bei jeder Frage wenigstens zwei Ratsherren ihr Votum vor ihnen
abgeben, damit der Rat nicht gar zu ausschlielslich durch die gewichtige
Stimme seiner beiden Finanzminister beeinflufst würde. Zweitens sollten
unter keinen Umständen die als minderberechtigte Ratsmitglieder den
übrigen an Ansehen nachstehenden Alten Genannten und die Genannten
aus den Handwerkern auf den untersten Plätzen bei einander sitzen, damit
sie sich nicht etwa unter einander über ein gemeinsames Vorgehen ver-
ständigten, oder sonst in irgend einer Weise den übrigen Ratsmitgliedern
als geschlossene Sonderkörperschaften entgegentraten. Aus diesem Grunde
wurden sie trotz ihres niedrigeren Ranges „mit sonder Geschicklichkeit“, wie
es später einmal heifst, zwischen. die Bürgermeister eingereiht, ohne dafs
dabei die Reihenfolge, in der sie unter sich rangierten, beobachtet zu
werden brauchte.
8 4. Der Beschlufs.
Ein Ratsbeschlufs kommt dadurch zu stande, dafs in unmittelbarem
Anschlufs an die Umfrage die mit der Fragestellung beauftragte Behörde
von Amts wegen feststellt, für welche Meinung sich die Mehrzahl der an-
wesenden Ratsmitglieder ausgesprochen hat. Soll die Umfrage abgebrochen
werden, bevor noch alle zu Worte gekommen sind, so wird durch Hand-
aufheben über die bereits abgegebenen Vota abgestimmt und dasjenige als
Beschlufs proklamiert, für welches sich die einfache Mehrheit entscheidet.
Ist die Sache so durchsichtig, dafs sich schon gleich aus den ersten Voten
entnehmen läfst, die anwesenden Ratsherren seien über die Art ihrer Kr-
ledigung einer Meinung, so kann der Beschlufs wohl auch ohne vorher-
yehende Abstimmung verkündet werden, unter der stillschweigenden Vor-
aussetzung, dafs es jedem, der etwa anderer Ansicht ist, freistehe, gegen
dieses Verfahren Verwahrung einzulegen. Um gegen einen solchen nach-
träglichen Protest gesichert zu sein, muls der Willen der Mehrheit in
wichtigeren Angelegenheiten stets durch Befragung sämtlicher Anwesenden
oder durch eine „gemeine Frage“ festgestellt werden. Sind die Meinungen
so geteilt, dafs eine Mehrheit überhaupt nicht zu stande kommt, so wird
die Angelegenheit vertagt, oder auch wohl einem Ausschufs zur endgiltigen
Beschlufsfassung überwiesen.
Da der Ratseid die Mitglieder des Rates verpflichtet, sich dem Willen