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nach dem Vorbilde des Heilandes, der vor dem Passahmahl seinen Jüngern
die Füße wusch, regelmäßig an zwölf armen, alten Männern die Fuß—
waschung vollzogen. Diesen sinnigen Brauch erneuerte Prinzregent Luit—
pold, indem er am Gründonnerstag 1887 in einem der prächtigsten Säle
der königlichen Residenz, umgeben von einer glänzenden Versammlung,
die feierliche Handlung vornahm. Aber auch frohe Geselligkeit hielt in
den Räumen derselben ihren Einzug. Im Januar 1887 vereinigte daselbst
die Angehörigen des Hofes, zum ersten Male wieder seit langer Zeit, ein
herrliches Ballfest.
Die Münchener Bevölkerung empfand es mit dankbarer Freude, daß
der Landesherr wieder in ihrer Mitte weilte und an dem Leben der
Hauptstadt in der gewohnten huldvollen Weise teilnahm. Prinzregent
Luitpold erschien im Herbst 1886, mit den Prinzen und Prinzessinnen
des königlichen Hauses in feierlicher Auffahrt auf der Oktoberfestwiese, wo
er die landwirtschaftlichen Ausstellungen und das Pferderennen besichtigte
und an die vielen mit einem Preise bedachten Aussteller jedes einzelne
Diplom eigenhändig verteilte. Hatte ihm bei diesem Anlaß die auf der
Theresienwiese versammelte zahllose Volksmenge aus voller Seele zu—
gejubelt, so empfing er am 5. Januar 1887 in seiner nunmehrigen Woh—
nung in der alten Residenz durch einen großartigen Fackelzug die begeisterte
Huldigung der Münchener Künstlerschaft, deren Bestrebungen er durch
Übernahme des Protektorats in seinen landesväterlichen Schutz genommen
hatte. Und zum Zeichen, daß ihn auch in der neuen Würde die alte
Liebe zu seinen Soldaten beseelte, hielt er im folgenden Frühjahr eine
große Truppenparade ab, die eine Menge von Zuschauern anlockte.
Es war dem Prinzregenten ein wahres Herzensbedürfnis, nicht nur
der Hauptstadt, sondern dem ganzen Lande einen Beweis seiner Huld und
seines Wohlwollens zu geben und durch persönliche Berührung und Füh—
lung mit den Bewohnern der verschiedenen Kreise das Band der Treue
zwischen Fürst und Volk enger zu knüpfen. Darum unternahm er in den
ersten Jahren nach seiner Thronbesteigung drei große Rundreisen in die
Provinzen des Reiches. Die erste, im September 1886, führte ihn nach
der schwäbischen Kreishauptstadt Augsburg, sodann nach den fränki—
schen Städten Nürnberg, Fürth, Würzburg und Ansbach. Auf der zweiten,
im Frühjahr 1887, besuchte er die Städte in Oberfranken, Oberpfalz und
Niederbayern, Bamberg, Bayreuth und Hof, Amberg und Regensburg,
Straubing und Passau. Die dritte, im September 1888, galt dem
Besuche der schönen Mainstadt Aschaffenburg, wo er in seiner Jugend
mit den Eltern so manche schöne Tage verlebt hatte, und den Städten
der Rheinpfalz. Hier in der sonnigen Heimat des Hauses Pfalz-Zwei⸗—
hrücken, dem er selbst angehört, nahm er während eines zehntägigen