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wirft die Frage auf, „wie viel ein Ritter im XVI. Jahrhunderte, mit
seiner Rüstung gewogen“ habe, und gibt darauf folgende Antwort:
„Ob das irgend in einem Diplome steht, weiß ich nicht, aber ich
habe es in einem berühmten Dichter der damaligen
Zeiten gefunden, der vielmehr Natur geschildert hat
als die großen Abschreiber der griechischen und la-
teinischen Dichter, die seinen Namen ungern mit dem ihrigen
würden nennen lassen, in dem ehrlichen Hans Sachs.“ Er bespricht
dann eine aus Hans Sachs entnommene Stelle und macht schließlich
die Bemerkung: „Das kann ich als ein fleißiger Leser
dem alten Meistersänger bezeugen, daß er oft so
galant, und selten bey seiner Galanterie so langweilig
tändelnd ist, als manche unserer anakreontischen
Dichter.“ Das Stück, auf das sich Kästner dabei stützt, ist Hans
Sachsens Schwank „Die ellend klagent roßhaut“,! der den hübschen
Schluß aufweist, daß Hans Sachs auf die Bitte der Roßhaut hin
aus ihr lauter Frauenschuhe verfertigt.?
Es ist eine allgemein bekannte und oft erwähnte Tatsache,
das Goethe in der ersten Hälfte der Siebzigerjahre, besonders im
Jahre 1773, eine Anzahl von kleineren Werken geschaffen hat, die
Knittelverse aufweisen? und die auch sonst Züge tragen, die man
auf eine Beschäftigung mit Hans Sachs zurückführt. Goethe hat
damals wirklich Werke des Hans Sachs gelesen. Wahrscheinlich
hat er im Winter 1772 und: sicher im April 1773 in Darmstadt
die Kemptner Ausgabe benutzt. Diese Ausgabe war damals in der
Darmstädter Bibliothek vorhanden.* Zu den Dichtungen in der so-
genannten Hans-Sachsischen Art sind nun zu rechnen: „Neuer-
öffnetes moralisch-politisches Puppenspiel“ mit dem „Prolog“, „Des
Künstlers Erdewallen“. dem „Jahrmarktsfest zu Plundersweilern“ und
1 Hans Sachs, hg. von Keller, 5, 146 ff.
? Vgl. A. G. Kästner, Vermischte Schriften, 2. Bd., Altenburg, 1772.
S. 132, 160—161; A. G, Kästners gesammelte schänwissenschaftl Werke.
2, Th., Berlin 1841, S. 134—1385, 149.
3 Auch in einem Briefe an Kestner aus dem Januar 1773 wendet
Goethe Knittelverse an (Werke, Weimar, 4. Abth., 2. Ba., S. 55).
4 Herrmann, Jahrmarktsfest, S. 73. Nach einer Angabe von M.
Desceltes (Bibliothek litterarischer und kulturhistorischer Seltenheiten, No. 4/5.,
Leipzig, 1904, S. 11) gelangte Goethe durch Heinrich Leopold Wagner im
Jahre 1774 in den Besitz einer alten Ausgabe des Hans Sachs.