)
Weit gelungener als diese eben berührte Zuthat erscheint
die Einführung des Turniers v. 257 ff., zu welcher der Dichter
die Anregung leicht aus str. 172 des S.L gewinnen konnte;
dort ist von „‚sechtzehen‘‘ Turnieren die Rede, die anlässlich
der Hochzeitsfeier Siegfrieds und Crimhilts gehalten wurden.
Und während Crimhilt im S.L. bei ihrer Entführung ohne
einen besonders ausgesprochenen Zweck in einem Fenster steht,
S. L. str. 17,2 ... . die that umb ein mittag
wol in ein Fenster stane . . .
schaut sie bei Hans Sachs von der Zinne des Turmes dem ver-
anstalteten Kampfspiele zu. Sie äussert sich zugleich mit hohem
Wohlgefallen über den kämpfenden Siegfried, und ihre Worte
bieten eine geschickte Hindeutung auf ein beginnendes Liebes-
verhältnis der beiden. Die Notwendigkeit einer solchen Hin-
deutung konnte dem Dichter abermals durch zwei spätere Stellen
des Liedes nahe gelegt werden, str. 51,3—4 sagt Siegfried von
Crimhilt:
die ist mir wol bekandt,
wir warn eynander holde in jres vatters landt,
und str. 101,4 spricht Crimhilt zu Siegfried:
ich hab dich ritter in meynes vatters haus gesehen,')
Man erkennt leicht, wie zwanglos Hans Sachs einen versteckten
Bericht seiner Vorlage an die passende Stelle gebracht und nach-
hinkende Erzählung in gegenwärtiges Werden aufs glücklichste
umgesetzt hat.
Einen kühnen Uebergang zu Act IIL, durch den Hans
Sachs dem nochmaligen Einsetzen seiner Vorlage mit str. 33
und den dadurch hervorgebrachten Widersprüchen mit früheren
Angaben ausweichen will, bilden die Worte des Herolds v.
310—19 und Siegfrieds v. 335—38; man hat gesehen, wo der
Drache mit der Jungfrau im Orient sich niederliess. So kommt
dann Siegfried nicht zufällig, wie im Lied, auf den Drachen-
stein (str. 34—37); er kann dem Zwerg Eugel, welcher ihm
von der geraubten Crimhilt erzählt, einfach antworten:
1) Hierzu vgl. W. Grimm, Heldensaye No. 96,3.