Volltext: Sammelhandschrift – Nürnberg, STN, Cent. VI, 52

Andeutungen. 
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Bei den Personalien der Briefe vom 26. Mai 1828 bleibe ich 
stehen. Kaspar Hauser kam östlich von der altbayrisch-österreichischen 
Grenze nach Nürnberg, nicht mit einem fertigen Plan, seine spätere 
Rolle zu spielen, sondern mit dem ernsthaften Vorsatz, Kavallerist zu 
werden. Er selbst hat, — als entsprungener Landstreicher, oder 
durchgebrannter Bauernbursche, Stalljunge, Hauderer oder was 
sonsti) — etwas zu verdecken gehabt und Nachfrage verhindern 
wollen. Das ist ihm aber durch das Zusammenspiel von Menschen 
und Umständen so gut gelungen, daß aus diesem Senfkorn der 
Riesenbaum der Hauserromantik hervorgewachsen ist. Wenn diese 
grotesken Fabeln ihren Weg auch dahin gefunden haben, wo der 
ehemalige unromantische Kaspar Hauser gelebt hat, so war seine 
Identität mit dem wunderbaren „Nürnberger Findling“ völlig un— 
denkbar, auf jeden Fall irgend eine Nachfrage seitens eines „Pflege— 
vaters“ für diesen sehr gefährlich geworden. Vielleicht auch war 
er verschollen, und es kam — damals gar keine Seltenheit — nie ein 
Zeitungsblatt nach der unbekannten Heimat. 
) Auf einen entsprungenen Gefangenen könnte die unaufgeklärte 
AÄußerung gegen Blaimer deuten: „ein Solches habe ich auch gehabt.“ Auch der 
noch nicht geheilte Hundebiß am Arm hat seine Bedeutung, aber welche? Auf 
einen ehemaligen Haus- und Stallknecht deuten der Goldsand, die Reit— 
hosen, die Hippologie, das geschickte Kofferpacken und Aufladen, die Wagenkenntnis 
I. S. 234, zu vergleichen mit Daumer 1873 S. 279 3. 14 u. 15, und J. S. 206), 
auf einen Handwerker seine Geschicklichteit II. S. 199. Hickel ließ im No— 
oember 1829 Kaspars ersten Anzug von 15 Stadt- und Landschneidern genau 
untersuchen. Das „Gutachten ging dahin, daß die Arbeit des Verfertigers wohl 
nicht zu erkennen sei, wohl aber nach der Arbeit, Schnitt und Farbe Rock und 
Hose einem Jäger, Schullehrer ec. angehörig sein dürfte. Rock und Hose waren 
der Größe nach für eine und dieselbe Person gefertigt.“ Von ihm selbst? „Die 
erstere Zeit saß er etwas gebückt und sowohl auf der Bank, als wie auf dem 
Boden streckte er seine Beine nie aus, sondern zog sie unter fich wie ein 
Schneider.“ Hiltel. — „Ich habe ihn für einen ankommenden Schneider— 
gefellen gehalten.“ Beck. — „Wenn man sein Wesen und seine Kleider und 
überhaupt Alles zusammennimmt, so sah er einem Kutschergehilfen gleich.“ 
Weickmann. Sicher ist, daß er nicht erst bei Daumer und v. Tucher packen ge— 
lernt hat!
	        
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