fullscreen: Mein Kriegs-Tagebuch vom 29. Juli bis 1. September 1870

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nofien, fondern Ffreuz und quer, durch die und dünn über Felder und durdh 
Wälder marjchiren mußten und das in voller Kanpfbereit[Haft. 
Gegen Mittag kamen wir qn die Mofel, durd welche die Kavallerie febte, 
und über die wir mit Kähnen befördert murden. So mancher befeuchtete {ich 
den Kopf mit Wafjer während des Leberfebens, um wenigftenS etwas Küh- 
fung zu genießen, denn — wie gefagt — der Tag war ein fehr heißer. In 
den Dörfern, durcy die wir marfjdhirten, maren die Proviantkolonnen überall 
beidhäftigt, LebenZmittel zu requiriren, ein Zeichen, daß un fhon Aotheilungen 
boraus waren. 
Während wir Morgens füblih von Zoul jtanden, maren wir Nachmittags 
am Fuße des fajt direkt nördlidH gelegenen Mount St. Midel, der Toul voll: 
ftändig dominirt, und von wo aus ein Monat {päter die deutfdhen Gelchiüße 
ihr Feuer auf die Feftung eröffneten. Bei Ccrouves machten wir furzen Halt, 
morauf e3 wieder Berg auf Berg ab faft im GefcdhwindfHritt, da wir zwilcdhen 
Kavallerie marjhirten, ängs der nördlih der Bahn gelegenen Anhöhen, 
weiter ging. Wir waren bereits zwölf Stunden unterwegs, als wir 
Houg erreichten, ein auf dem Bergabhang gelegenes Stähtdhen mit 
engen Straßen, und — wie wir alle bemerkften — mit bdielen hHüb- 
jhen Mädden, die — ganz harakteriftifch franzdfildg — nad unfe- 
rer Mufik am Marktplabe tanzten. Die Hoffnung, dafelbit zu bleiben, mar 
eitel Wahn und immer wurde fortmarfjehirt, ohne zu raften. Nad einem 
15ftündigen Maricdh, in glühender Hibe, ohne Gelegenheit jemals Waffer falten 
zu Fönnen, ohne Gelegenheit die Menage herzurihten, kamen wir mit ftüc- 
weis gebrochenen Menidhenherzen nad) Ragny fur Meufe; ich wurde — „Mein 
Ziebhen wma3 mwillft Du noch mehr“ — no obendrein als Kommandant eine5 
an der Straße nad) Void gelegenen Piquets Fommanbdirt. Ich Hatte alle meine 
Rräfte aufzubieten, um nidt einzufchlafen, denn diefes Tages Qual war groß. 
€ mußte der Anfhluß an das — wenn ih mich noch recht entfinne — 
4, Korp8 aufgefunden werden und erft, als die ausgejandten UhHkanen-Eclai: 
reur8 Meldung darüber einbrachten, erlaubte ih mir, mid auch etwas auf den 
Boden zu legen, konnte aber den gefuchten Schlaf nicht finden, da mich meine 
Sußlohlen ganz fürchterlid brannten. 
dh langte wieder in meine Tafhen nach Lettüre und erwijhte glücklicher 
Weife den zweiten Theil von S5öthe’8 Fauft, den ih Hier zum dierten oder 
fünften Male zu lejen anfıng und der fig als Schlaftrunk ausgezeichnet be: 
mwährte und mir momentan meine Förperlihe Erihöpfung in den Hintergrund 
dränate. 
Auf einem Stuhle figend war ih eingenidt, noch Halb das fehend, was 
um mid) verging, und erwartete mit Ungeduld den Morgen, der mir Ub- 
(öfung von der nichts mehr al® unerquiclichen Situation bringen follte. 
Das Eine, mas mid noch aufrecht erhielt, war der am MWachHtfeuer zube- 
veitete Kaffee, den id) in langen Zügen und oit einfdHlürfte, und der nicht 
nur gegen den Schlaf allein, fondern aud gegen die Kälte ein Nequi- 
valent bot. 
Das war der Tag, der im Soldatenmund noch lange als der Tag 
fortlebte: 
„bei Zoul, um Toul und um Toul ’rum“. 
X Telbft merke mir diefen Tag Zeit meines Lebens; was der Menid 
Ceiften ann, wenn er muß und will, zeigte fih hier im Ddeutlichiten Licht; doch 
wenn id mir die fhmweißtriefenden, ftaubbedeckten Sefidter meiner Soldaten
	        
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