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sehr betrügen, wenn mein Vorsatz, eine neue Ausgabe der
auserlesensten Stücke unsers Dichters, in einem oder
zween Oectavbänden zu veranstalten, nicht den meisten unsrer
Leser, und wahrscheinlicher Weise allen Teutschen, die Gedrucktes
lesen können, sehr willkommen seyn sollte“ (S. 97). Wieland
schließt mit einem Ersuchen an die Bibliotheken und Gelehrten um
Mitteilungen über Hans-Sachs-Handschriften. Er selbst hat, wie aus den
Anführungen zu erschließen, wahrscheinlich die Kemptner Ausgabe
zur Hand gehabt. In den Ausführungen Wielands erscheint uns
wesentlich einmal, daß er den inneren Wert der Werke Hans
Jachsens aus der ungefeilten äußeren Form heraushebt, und zweitens,
daß er darauf hinweist, wie unter den Händen des Meistersängers
alles poetische Gestalt gewann. Die Absicht, eine Auswahl aus
Hans Sachsens Werken herauszugeben, wollen wir als einen glück-
lichen Gedanken Wielands festhalten.
Es entsteht nun ganz von selbst die Frage, wie Wieland es
in seinen eigenen Werken mit der Anwendung von Hans Sachsens
Dichtungsart hielt. Ich weiß in dieser Hinsicht nur „Die Titano-
machie oder das neue Heldenbuch. Ein bürleskes Gedicht in so viel
Gesängen als man will“ (1775) anzuführen.! Koberstein hat einmal?
bemerkt, daß Wieland in seinem „Gandalin“ und im „Wintermärchen“
beide 1776 entstanden — nicht selten den Auftakt weglasse
und somit unter die Jamben und Anapäste auch Daktylen mische,
und kann sich „des Gedankens nicht erwehren, daß er dazu besonders
durch die Nachbildung von Hans Sachsens Versart geführt wurde“,
Unmöglich ist das wohl nicht, allein ich kann in diesen und anderen
Erzählungen Wielands nichts Hans-Sachsisches finden weder in der
Versart noch in der stilistischen Färbung. Auch in den Briefen
Wielands ist nach dieser Richtung hin keine Andeutung vorhanden,
eher das Gegenteil, wenn er über die „Jamben“ im „Geron“
spricht.? „Meister Sachs“. „der con amore Verse mache“. war ihm
|! Vgl. Wielands sämmtl. Werke. Supplem. 6. Bd., Leipzig, 1798,
S. 373 ff. — Die „Titanomachia“ erschien zuerst im Oktoberheft des
„Teutschen Merkurs“, 1775, S. 9—15. aber ohne eine auf Hans Sachsens Stil
hindeutende Bemerkung.
2 Grundriß, 3, 235, Anm. 21.
3 Briefe an J. H. Merck. SS. 109 (16. 4. 1777).