Ann
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denn nicht mit ihrem Gatten in den Industrieverein
gegangen?
Sie eilte auf Anne zu, die noch immer schluch⸗
zend am Boden kniete. „Annele! Ännele!“
Das Mädchen umschlang die Mutter und ver—
barg das Gefsicht in ihren Kleiderfalten.
„Ja, ja, Frau Josephine, ich hab' nicht so
zarte Hände wie Sie.“
Hünnebach nahm den Hut ab und strich über
die dünnen grauen Haare.
„Mutter, habt Ihr mich noch ein wenig lieb?“
Anne fragte es schluchzend.
„Aber Kindle, so lieb! Der Vater und ich.“
Da stand Anne auf. Sie schaute unter den
immer noch fließenden Tränen nach Hünnebach.
„Ich will's versuchen, aber — aber, ob ich es kann?“
Hünnebachs Augen wurden feucht. Aber er
drängte die Rührung zurück. „Dann holen wir
morgen den Vater vom Rathaus ab.“
Erschrocken sah Anne den alten Freund an.
„Aus dem Haus?“
„Natürlich! Ordentlich oder nicht. Ich werde
mir die Ehre geben, die Demoiselle abzuholen.“ —
Die Mutter umschlang Anne. Die beiden
Frauen gingen langsam dem Haus zu.
Hünnebach stand noch lange in Gedanken am
Fluß. Dann verließ er den Rottmannschen Garten.
Aber in den Industrieverein ging er heute nicht
mehr. Er war weniger denn je gestimmt, sich für
das Allgemeinwohl zu erhitzen, wenn ihm auch die
Beschäftigung damit als gutes Heilmittel für ent—
täuschte Hoffnungen erschien. Für andere! Bei
sich selbst hatte er die Probe nicht gemacht; darum