Lady Stanhope.
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edlen Lord Stanhope in die Arme geführt, der mit seltener Großmut sich
freut, die Pflichten eines Pflegevaters gegen Sie üben zu können. Es
hat durch Ihn Sie mit zwei Männern in Verbindung gebracht, die mit
ebenso viel Einsicht als Liebe der Leitung Ihrer verspäteten Jugend sich
unterziehen. Mögen Sie, mögen durch Sie jener Edelmütige und diese
würdigen Männer reiche Früchte ernten von so vielen hochherzigen Bestre—
bungen! Möge nie die Thorheit des Stolzes und des Eigendünkels, dieser
Bezwinger gemeiner Seelen, in Ihrem zarten Gemüte Eingang finden;
denn nichts erhebt mehr die Seelenwürde des Menschen, als Demut und
Edelmut im Verein. Mich freut, in Ihrer Handschrift recht gute Anlage
zum Schönschreiben zu bemerken. Fleißige UÜbung und gute Muster, be—
sonders auch in den Anfangsbuchstaben, wird Sie darin wahrscheinlich
bald weiter bringen und Ihre(r) Schrift eine Geläufigkeit geben, welcher
der Vorzug gebührt vor der Schreibmalerei. (Hickel hat den kalligraphischen
Passus ausgelassen.) Mein neuester Brief von Lord Stanhope ist aus
Klagenfurt vom 11. Oktober. Gemahlin und Tochter waren damals noch
in Wien. Der Lord ließ Hoffnung blicken, nach Ansbach und hierher zu
kommen. Ihnen, teuerster Herr Hauser, meine herzlichsten Wünsche wid—
mend, beharre ich mit aufrichtigster Teilnahme und Wertschätzung
Ihr ganz ergebenster
Hlüber“
Es stand aber auch noch in dem Brief aus Klagenfurt: „Seine
körperliche Schwäche würde ihn nicht verhindern Stallmeister zu wer—
den, da er, wie Fl(euerbach) in seiner Schrift versichert, gar keine
Müdigkeit beim Reiten empfand, und so zaghaft, als er sonst ist,
so ist er doch unerschrocken zu. Pferde. „„Das ist sein Element,““
kann man wirklich von ihm sagen. Wenn ich nach Ansbach gehe,
werde ich suchen ihn mit mir nach Frankfurt zu bringen, damit Sie
die Gelegenheit haben möchten, ihn zu sehen und zu prüfen und seine
Erzählungen aus seinem eigenen Munde zu hören.“
Daß „Gemahlin und Tochter“ Stanhopes dem schlauen Kaspar
durchaus nicht willkommen waren, erzählt Hickel (S. 121), und daß
er von Klübers Belehrung nur wenig erbaut war, berichtet Meyer
(S. 487); er kam den 6. Dezember verstimmt mit dem Brief von
Hofmann nach Hause.
v. d. Liude, Kaspar Hauser. 1