Kaspar in der Unterwelt.
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glaubten Kindes geführt, und man zeigte ihr den scheußlichen Zu—
stand desselben. Wahnsinn umnachtete auf der Stelle ihre Sinne
und erst nach langen Jahren befreite sie der Tod von Leben und
Gefängniß. Sowie der Gegenstand der Rache nicht mehr war, sollte
Kaspar Hauser auf Befehl jener Hyäne getödtet werden; aber der
Kerkermeister konnte das nicht übers Herz bringen und so nahm er
den Unglücklichen eines Nachts auf den Rücken und brachte ihn in
das drei Tagreisen entfernte Nuürnberg. Den bekannten kauderwelschen
Brief aber hatte er selbst in der Nacht vor der Flucht geschrieben.
Aber wie ein Donnerschlag des ewigen Gerichts traf jene Ver—
brecherin die Nachricht von Hausers Flucht und seiner Ankunft in
Nürnberg. Sie bot auf der Stelle einem vertrauten und verwegenen
Bösewicht die Summe von 1000 Louisdors auf den Tod des Ent—
führers und anderweitige 1000 Goldstücke auf den Tod Hausers.
Die ersteren verdiente sich jener nur zu bald, da ihm das Geschick den
Unglücklichen schon am 2. Tage in die Hände führte. Mehr Mühe und
Verwegenheit kostete ihm aber die Erbeutung der auf Hausers Kopf
gesetzten Summe, welches ihm, nach dem bekannten mißlichen Mord—
bersuche im Jahre 1829, erst im vorigen Monate Dezember gelang.“
Auf diese Art jedoch ließ die Oberwelt im Januar 1834 noch
nicht mit sich spassen! Der Hochwächter geriet in den Verdacht, durch
diesen Aufsatz das Publikum „von dem eigentlichen wahren Lebens—
schicksale Hausers ablenken“ zu wollen und „in Bezug auf Hausers
Schicksal etwas zuverlässiges zu wissen.“ Das Untersuchungsgericht
in Ansbach verlangte — signum temporis! — die Vernchmung
des Verfassers; der Hochwächter beeilte sich (am 13. Februar) die
Geschichtlichkeit seines Neujahrsberichtes abzulehnen,) und der Ver—
fasser hatte gerichtlich festzustellen, daß nur „das allgemeine Interesse
ain H. H. ihn veranlaßte, einen dergleichen Aufsatz zu fertigen“, und
iV.Quod bene notandum! Aufmerksam gemacht durch ein anhergelangtes
Requisitionsschreiben des k. b. wohllöblichen Kreis- und Stadtgerichts zu Ans-—
hach in Bezug auf die in der Nr. J des literarischen Hochwächters — befindliche
Notiz über K. H. und den vermeintlichen Zusammenhang seines traurigen Ge⸗
schickes, erklären wir hiermit zu Vermeidung von freilich kaum denkbaren Miß⸗
verständnissen, daß — wie schon aus der Ueberichrift jener Berichte evident