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In Nürnberg.
1828 vorgelesen: „Er (Kaspar) denke auch deßhalb ungern an seine
Einsperrung zurück, weil er sich die Angst vorstelle, in der der Un—
bekannte, der ihn gefangen hielt, gelebt haben müsse. Dieser habe
wahrscheinlich immer auf seinen Tod gehofft, der nicht gefolgt sey,
und so glaube er, daß der Unbekannte, bis er sich seiner entledigt
habe, in der qualvollsten Unruhe gelebt habe, was ihm wehe
hue, wenn er sich's vorstelle.“ Solche Außerungen haben
einen anderen als den von Daumer hineingelegten Sinn; sie ver—
raten eine leise innere Unruhe wegen der immer mehr anschwellen—
den Verlästerung eines Unschuldigen, über den Feuerbach in seinem
romantischen Brief vom September 1828 noch zu berichten wußte:
Als ich meinen Unwillen gegen den Bösewicht äußerte, der ihn so lange
zefangen gehalten, wies er mich strafend zu Recht: Der, bei dem er
gewesen sei nicht bös, sondern sein Vater, der ihm zu essen
und trinken gegeben.“ Wären unserem hypothetischen Rechts—
anwalt die Akten zugänglich, er würde gegen diesen am 11. Juli
1828 auf dem Luginsland so zurechtgewiesenen Feuerbach den Feuer—
bach vom 15. Juli desselben Jahres ins Feld geführt haben, der da—
mals an die Kreisregierung in Ansbach schrieb: „Der Magistrat
Nürnberg (Binder) hat eine Bekanntmachung dem Druck übergeben,
worin der romanhafte, dem angeblichen Opfer unmenschlicher Be—
handlung auf die künstlichste Weise abgefragte, vielleicht auch oft nur
errathene Inhalt den Thatbestand des Verbrechens der widerrecht—
lichen Gefangenhaltung nach Art. 192 Theil J des St. G. B. und
der Aussetzung hilfsloser Personen nach Art. 174 ff. begründet, wie
dieß der Magistrat nach der seiner Bekanntmachung beigefügten Über—
ichrift selbst nicht verkennt.“ Unser Anwalt würde mit Art. 192
wider Art. 192, Art. 174 wider Art. 174, mit Feuerbach wider
Feuerbach einen starken Stand eingenommen haben.
Die Juristen Feuerbach und Tucher haben ihren Waschweiber—
latsch bescheiden einen Indizienbeweis genannt. Da Kaspars
Taufschein fehlt und es zur Entdeckung seiner Mutter jetzt wohl zu
spät ist, will ich ihrem Beispiele folgen und meine Vernichtung der
Glaubwürdigkeit unseres Helden, seiner Geschichte der Einkerkerung
und der Mordanfälle ebenfalls einen Indizienbeweis nennen:
welcher von beiden aber der stärkere ist, entscheide der Leser.