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die Zeit kommen, die auf solchem Sockel den
Wunderbau der deutschen Einheit errichtete.
Schatten und Fruchtbäume pflanzen, Grund—
mauern bauen, das war die Aufgabe seiner Zeit.
Die kommende neue Zeit bedurfte des Fleißes und
Schweißes der Weiterbauenden, der Ernienden.
Als Rottmann mit Anne Berlin verließ, war
es ihm heilig und still zumute.
Als aber nach tagelanger Reise Nürnbergs
Burg am Horizont auftauchte, sprach er zu Anne:
„Die ganze Zeit, Kind, haben meine Gedanken dem
großen Ziel, dem kommenden deutschen Reich ge—
golten. Auch Du, Liebling, hast, wie ich aus
Deinen Erzählungen fühle, die große Welt verstehen
und lieben gelernt — nun treten wieder die Rechte
und Pflichten aus der engen Heimat heran. Es
ist leichter im großen Raum großen Aufgaben
leben, Anne. Ich will die große Aufgabe, die ich
mir gestellt, mit Mut und Glauben anfassen, ich
will aber der Mauern nicht vergessen, die einengen
müssen. Tue das gleiche, Liebling. Rette Deine
großen, schönen Gedanken in den engen Wirkungs—
kreis, der Deiner in der Heimat wartet.“
Anne schwieg in tiefen Gedanken. Wie hatte
Annette gesagt zum Abschied?
„Dir, Anne Rottmann, wird die Zukunft
große Aufgaben bringen, denke an mich; Du mußt
aber nicht ungeduldig den kleinen Kreis sprengen
wollen, der sich wieder um Dich ziehen wird. Du
mußt versuchen, ihn langsam zu dehnen und zu
erweitern.“