Prolog
zur dritten Auflage des dramatischen Gedichtes Hans Sachs.
Als in Italien und Frankreich lang
Der goldne Wunderbaum der Poesie
In voller Blüte stand, trieb sparlich nur
Er dürft'ge Reiser erst im deutschen Reich.
Es fehlte zwar an wackern Gaͤrtuern nicht
Von Karl dem Großen und von Otfried, an
Bis auf den Montfort, Trymberg, Eschinbach,
Den edlen Herrn Ukrich von Lichtenstein
Und auf Konrad von Würzburg, welchen man
Der ritterlichen Sänger letzten nenn.
Doch kaum geschah's daß unter ihrer Hand
Sich Blätter, Blüten, Früchte selbst gezeigt,
Als eine wild ausbrechende Gewali
Sie mit der Faust zerschlug, dem Fuß zertrat.
Unwillig kehrt die Muse ihr Gesicht
Ab von der Zeit, die nun die Kunft erlebt;
Was einmal wie prophetisch Konrab sang,
Wenn der Genossen wilde Rauheit tadelũd
Er Argeres befürchtet, ward erfuͤllt:
Es floh die Muse aus dem deutschen Reich.
Drauf bildete zu Nürnberg der Verein
Der Meistersänger sich und der beschloß,
Die flücht'ge Goͤttin mit Gewalt zu zwingen,
Den Fuß zurückzusetzen in das Land.
Sangschulen wurden überall errichtet,
Man schrieb Gesetze für das Dichten vor,
Man glättete mit Sorgsamkeit den Reim,
Trieb zunftgemäß die freie Kunst und nannte,
Was mühevoll gereimt war, ein Gedicht.
Allein die Muse, die freiwillig nur
Ihr Füllhorn über ihren Liebling leert,
Verspottete der eitlen Thoren Qual,
Und kein Erfolg belohnte ihr Bemühn.