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Zeiten denken, wo ihre Liebe durch keine Sitte mehr
in die Formen achtungsvoller Freundschaft und Ver—
ehrung gedrängt würde. Sie durfte in heimlichen
Stunden an ihre Ehe denken mit dem Mann, den
ihre junge Seele mit leidenschaftlicher Glut liebte.
Und ihre Augen glänzten um die Wette mit
den Kristallknöpfen, die das schwarze Sammetband am
Hals zierten, und ihre Wangen blühten wie die
zarte Kamelie in ihrem Haar.
Aber die Kristallknöpfe blitzten den Neidischen
zu stark, die Kamelie schien ihnen zu anspruchsvoll
und die bösen Zungen flüsterten vom „Hochmut.
der vor dem Fall käme“ und davon, daß „noch
nicht aller Tage Abend sei“.
Herr Friedrich stand in einer Ecke des Saals
und blickte mit finsterer Miene nach Anne. Er
tröstete sich aber immer noch: „Das Weib eines
anderen ist sie noch nicht.“