T 1
Vater, verzeihen Sie, wenn ich mich hier gegen Sie in Schutz
nehmen muss. Ich habe freilich in meiner Kritik, besonders
aber ın der Vorrede mit leinigem Selbstvertrauen zu
meinen Gegnern gesprochen. Glauben Sie denn aber, lieber
Vater, dass man in unserer Zeiten, wo es Mode ist, dass Philo-
sophen nur im Renommistentone reden, auf mich und auf das,
was ich für Wahrheit halte, achten würde, wenn ich der oft
pöbelhaften Grossprecherei nicht ein ruhiges Vertrauen auf
meine Kräfte entgegengesetzt hätte? Der Stolze wird nur noch
stolzer, wenn man sich vor ihm demütigt. Wer aber zeigt
und in bescheidenem Tone zeigt, dass er auch Kräfte in seiner
Seele fühle, nötigt den Gegner, ihm wenigstens neben sich
eine Stelle einzuräumen und zwingt ihn wie durch eine magische
Kraft sich von seiner wahren oder eingebildeten Grösse etwas
herabzulassen. Und gesetzt auch, mein Betragen (das gleich-
wohl nie gegen die Personen meiner Gegner, sondern nur
gegen ihre Sätze gerichtet ist) wäre keiner Rechtferti gung
fähig, so werden Sie doch gewiss entschuldigen können,
wenn Sie bedenken wollen, dass die Eigenliebe ... unseren
Produkten so gerne einen unverdienten Wert beilegt, weil sie
das Werk unsrer aufs höchste gespannten Kräfte sind, und
ihr Inhalt in dem reinsten Lichte der Wahrheit vor dem Blicke
des Geistes steht. — Eigendünkel — der Greuel in den Augen
der Weisheit, ist aber weit von mir entfernt —.“
Welch günstige Aufnahme Feuerbachs Werk bei der Mit:
welt gefunden, dafür zeugt der Bericht in der Fortsetzung des
Briefes, der auch auf die damaligen Pläne des jungen Philo-
sophen ein interessantes Licht wirft: „Wenn mich auch die
ganze Welt in den dicken Dampf ihres Weihrauches hüllt, und
der Würzburger Rezensent den wahren Vater des Naturrechts
ın mir zu sehen glaubt, so habe ich doch einen Rezensenten in
mir, der: strenger als alle anderen richtet und weit entfernt,
mich durch seine Lobsprüche aufzublähen, vielmehr durch quä-
lenden Tadel zu Boden schlägt. Dieser Richter ist das hohe
Ideal eines Schriftstellers, das vor: meiner Seele steht, und
neben dem ich mit meinen Kleinigkeiten so klein erscheine,
dass der Eigendünkel gewiss niemals in mir Wurzel schlagen
wie viel weniger bis zur Pflanze hervorwachsen wird.“
In seinem äusseren Leben trat in diesem Jahre eine Wen-