Metadaten: Die neue Zeit

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getreten, nun sah er ihm fest in die Augen. „Täusch' 
ich mich nicht — Sie sind —“ 
„Gotthold Weber, der ehemalige Vikar von 
Sankt Johannis, späterer Kollaborator adeliger 
Buben und jetziger Landstreicher.“ Die Unsicherheit 
aus dem Gesicht war gewichen, und glühend brannten 
die Augen in Rottmanns Augen. 
„Mensch, was ist mit Ihnen geschehen?“ 
„Was eben geschehen mußte. Erst haben Sie 
mich herausgelockt aus dem Behagen der winkenden 
fetten Pfarrerstelle, haben mich immer weiter ge— 
lockt auf einen Weg mit lauter Abgründen und 
Hindernissen, und dann, dann haben Sie mich von 
sich gestoßen! Sie mußten doch wissen, daß ich 
nicht allein gehen konnte! Zuerst bin ich noch 
herumgewanki, aber schließlich bin ich doch in einen 
der Abgründe hinuntergefallen, ganz hinunter. Und 
seitdem ist Ruh. Jetzt gibt's kein Kämpfen mehr 
und kein Ringen — nur Hunger gibt es, viel 
Hunger.“ Ein Beben ging über den abge— 
zehrten Leib. 
Rottmann griff ihn unter den Arm und führte 
ihn in die Stube; und dort schenkte er ihm ein 
Glas Wein ein und stellte ihm Brot hin. Der 
Verwahrloste stürzte mit Gier den Wein hinunter 
und verschlang das Brot wie ein Verhungernder. 
Und dann saß der Schiffbrüchige am Tisch 
mit aufgestütztem Kopf, während er mit über— 
stürzenden Worten, in bittersten Anklagen eine qual— 
volle Beichte seiner völligen Strandung ablegte. 
„Hätten Sie mich nur nicht fortgeschickt, hätte 
ich in Ihrer Nähe bleiben dürfen!“ rief er immer 
wieder. 
Rottmann stand an die Wand gelehnt mit ge— 
du Volbehr, Die neue Zeit, 10
	        
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