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Fern, im ftillen Kämmerlein,
Blüht ein duftig Nöfelein,
Nöslein rot, dur darfft nicht forgen,
Hoff, e8 winkt ein Schaß verborgen.
Tag und Fahr find ausgezählt,
Yieb und Leid find ausgewählt,
Herzengskind, von Gott kommt beides:
Schaß und RNögslein, Lieb und Leides.“
Dreimal in kurzen Zwifchenpaufen hat die Liebe
der fterbenden Mutter mit diefen NMeimlein mich, ihr
Kind, gefegnet, fo daß Barbara diefe Worte ing
Sedächtnig faffen und mir fpäter überliefern Fonnte.
Sodann hat meine Mutter die Gände gefaltet,
ich aufs Bett zurückgelegt und ift fanft und felig
nerichteden. —
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Die Jahre meiner Kindheit kommen mir heut
vor wie ein fhöner Morgentraum. Ih bekam alle2,
was ih wünfchte, und lebte in Luft und Überfluß,
Als ich eiwa 13 Fahre alt war, da begann in Bres:
lan ein ganz anderes Veben, Über deffen Bedeutung
ich erft {päter Klarheit bekanı. E83 kamen jebt faft
täglich gelehrte Herren oder Ratmänner der Stadt in
meines Großbaters Haus, die oft fiundenlang von
nicht$ weiter {prachen al8 bon Keligion, vom Papft
und vom Sijchof, von Mönden und Nonnen, von
Yuther und Melanchthon, Die Reformation war auch
nad) Breslau gedrungen und Vverurfachte eine gewal:
tige Sährung der SGeifter. Früher fhon Hatte der