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Kommt nun der Körper in eine benetzende und lösende Flüssigkeit,
so wird der ihn zusammenhaltende Binnendruck vermindert und zwar, zum
mindesten, um den Betrag des Binnendruckes der Flüssigkeit, da sonst
eine Benetzung unmöglich wäre. Die Anziehung zwischen Salz und Lösungs-
mittel wird aber gröfser, als der Binnendruck des Wassers, und es liegt
an und für sich nichts im Wege anzunehmen, ‚dafs sie sogar den Binnen-
druck des zu lösenden Körpers an Gröfse übertrifft. Ist nun das letztere
wirklich der Fall, so wird durch diesen Überschufs an Anziehung Schicht
für Schicht des Festkörpers losgelöst werden und, in der Flüssigkeit verteilt,
jenen Zustand annehmen, den man als Lösung bezeichnet und in welchem
zwischen den Teilchen des Festkörpers keine merkliche Anziehung mehr
stattfindet.
Soll der Lösungsvorgang wirklich auf Gravitation der Teilchen beruhen,
so mufs sich, wie bisher, rechnerisch ermitteln lassen, ob ein Körper in
Lösung gehen kann oder nicht.
Auch diesen Berechnungen dient wieder die Normalfläche als Grund-
lage und finden auf der Flächeneinheit vier verschiedene Anziehungen statt:
1) Die Wasserteilchen ziehen sich untereinander an und bilden so den
Binnendruck des Wassers.
2) Die Wasserteilchen ziehen die Teilchen des zu lösenden Körpers,
z. B. Chlorkalium, an. .
3) Die Chlorkaliumteilchen üben Anziehung auf die Wasserteilchen aus.
Damit also Benetzung eintreten kann, mufs die Summe der Kräfte
aus zwei und drei pro Flächeneinheit gröfser sein als die Kraft eins; soll
aber Lösung erfolgen, so mufs sie auch den Binnendruck des Chlorkaliums,
die als vierte Kraft in Betracht kommt, an Gröfse übertreffen.
Auf den ersten Blick mag es merkwürdig erscheinen, dafs Wasser,
dessen Binnendruck schon durch die Anziehung zwischen Wasser und
Chlorkaliumteilchen überwunden wird, nun im stande sein soll, den doch
wohl gröfseren Binnendruck des Chlorkaliums zu bewältigen. Aber es
kommt eben auch hier, wie bei der Benetzung, die Teilchenzahl pro
Flächeneinheit desjenigen Körpers zur Geltung, der das kleinere Molekular-
volumen besitzt; im vorliegenden Beispiel .also die des Wassers. Sohin
ist die Anziehung der Chlorkaliumteilchen unter sich mit der Zahl 7-3 zu
multiplizieren, während für die Anziehung zwischen Chlorkalium und Wasser
die Zahl 12 Anwendung findet. Diese Anschauungen nun, deren zahlen-
mäfsiger Beweis folgt, lassen sich in den Worten zusammenfassen:
Ein Körper ist in einer Flüssigkeit löslich, wenn die
gegenseitige Anziehung zwischen den Teilchen des LösungsS-
mittels und denen des zu lösenden Körpers gröfser ist
1) als die Anziehung der Lösungsmittelteilchen pro Flächen-
einheit unter sich und
2) gröfser als die Anziehung der Teilchen des zu lösenden
Körpers auf derselben Fläche unter sich.