Metadaten: Das Hans Sachsfest in Nürnberg am 4. und 5. November 1894

—O 5. Der Festzug 65— 
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habenen Sitze unter dem kunstvollen Thronhimmel blickt ernst 
und sinnend die hehre Göttin, von ihrem Haupte, das ein Lor— 
beerkranz schmückt, wallt ein langer Schleier den Rücken hinab, 
in der rechten Hand hält sie einen Palmzweig, die linke ist 
aufgestützt. So bietet sie in ihrer prächtigen, reichverzierten 
und beinahe phantastischen Tracht, welche die Arme frei läßt, 
einen höchst eigenartigen und glänzenden Aublick dar. Vor ihr 
auf den Stufen des Thrones halten drei Edelknaben die Sinn— 
bilder der Baukunst, der Malerei und der Bildhauerei: eine 
jonische Säule, eine Palette und das Modell eines Kopfes. 
Das Leitseil hält die Begeisterung. Künstler mit breunenden, 
laubumwundenen Kerzen geben dem Wagen das Geleit. 
Im Gefolge der Kunst zieht die Künstlerschaft mit ihren 
Bannern an uns vorüber, eigenartig und glänzend in Erscheinung 
und Tracht, ausgezeichnet durch feinen Geschmack und farben— 
prächtige Ausstattung. Ihnen schließen sich an die Gewerbe 
im festlichen Aufzug, vertreten durch Angehörige der Handwerke 
der Drechsler, Brauer, Schlosser und Glaser mit ihren alten 
Handwerksfahnen, Laden und sonstigen Attributen. 
Ein Trupp Spielleute, dem ein Fähnlein Geharnischter 
folgt, führt die letzte Gruppe*) ein, die ein buntes und malerisches 
Durcheinander aufweist: Bürger und Bürgerinnen mit ihren 
Kindern, Bauernvolk, groß und klein, fahrende Leute, Gestalten 
aus den Dichtungen des Hans Sachs, wie Heinz Widerborst, der 
Häderlein, der Waldbruder mit dem Esel. Selbst der schlimme 
Placker Hans Schüttensam wird in Fesseln vorgeführt. 
Der Eindruck, den der Festzug bei Einheimischen wie 
Fremden hervorrief, war ein außerordentlicher. Nicht als ob 
er sich durch eine ungewöhnliche Ausdehnung ausgezeichnet hätte, 
in dieser Beziehung konnte er mit anderweitigen Veranstaltungen 
dieser Art nicht wetteifern. Aber was ihm an Umfang ab— 
ging, das ersetzte er reichlich durch die Einheitlichkeit und Poesie 
des Gedankens, zu dem der gefeierte Dichter selbst Gevatter 
*GS. 105. 
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