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verspüren: diese bösen Zeiten stellten sich fast gleichzeitig
mit dem eingetretenen Umschwunge, mit dem erwachten
Erkenntnißvermögen ein.
Die Gährung, welche sich in Deutschland schon vier
Jahre zuvor dem Beispiele folgend, welches das spanische
Volk in seinem Widerstande gegen den Eroberer gegeben,
bemerklich gemacht hatte, war jetzt durch das Unglück Na—
poleons in Rußland zu vollem Ausbruch gekommen: das
gesammte Deutschland hatte sich unter dem Rufe das „Vater⸗
land über Alles“ erhoben, grade wie Frankreich 1792 unter
dem Rufe „la patrie est en danger“ und gerechtfertigte
Befürchtungen erfüllten jetzt die Herzen der Anhänger Na—
poleons. Am badischen Hofe wurde die franzosenfeindliche
Parthei von neuem laut, weit lauter noch als 1809; sie
fühlte sich nicht mehr behindert in der Verkündung ihrer
Doktrinen, ihrer Hoffnungen — daß die Beibehaltung der
von Napoleon dem Lande bewilligten, gegen früher erheb—
lich erweiterten Grenzen ihr zugleich sehr am Herzen lag,
soll nicht unerwähnt bleiben.
Stephanie fühlte sich, obwohl sie durch ihre Heirath
eine Deutsche geworden war und in aller Aufrichtigkeit
das Glück des badischen Volkes wünschte, doch in ihrem
Herzen Französin. Tieferschüttert von den Unglücksfällen,
welche über ihre Heimath hereinbrachen, litt sie auch noch be—
sonders als Adoptivtochter Napoleons. Ueberaus peinlich für
sie war es auch, daß sie die triumphirenden, übermüthigen
Aeußerungen der Gräfin Hochberg, des Prinzen Ludwig und
der Mehrheit der Hofleute täglich mit anhören mußte. —
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