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die Briefe, die er selbst an die Seinigen geschrieben und frage
noch: wo ein besseres Kind, ein zärtlicherer Bruder und ein
liebevollerer Water und Gatte zu finden is?
Eine Probe des Charakters ist die Stellung des Menschen
zum Menschen als Nächster, zum Freunde als Freund und zum
Lehrer als Schüler; — auch nicht eine Stimme seiner Er—
zieher und Nachbarn ist gegen unsern Dichter laut geworden,
sein Zug zur Freundschaft war tief und glühend und wie er
ihn im Leben gegen Streicher, Körner und Göthe bewiesen, so
laͤßt er ihn erglänzen nachahmungswerth in seinen Gesängen
und Dramen!
Eine Zierde des Herzens ist die Bescheidenheit und ein
Schmuck des Charakters ist die Dankbarkeit; — so feurig und
rastlos Schiller auch dem höchsten Erreichbaren nachstrebte, so
blieb ihm dennoch Selbstüberhebung immer ferne und noch in
den Tagen, wo er schon sicheren Fußes auf dem klassischen Bo—
den wandelte, ertönen seine Klagen: daß er doch so wenig zu
leisten vermöge! Und ob er dankbar war? Wir erinnern an
sein Verhältniß zum Herzog von Augustenburg, der dem kran—
ken Dichter drei Jahre lang einen Gehalt gewährt, um ihn
über die nächsten Sorgen hinwegzuführen: Schmerz und Krank—
heit vergessend rafft der dankbare Dichter seine besten Kräfte
zusammen, um ein Gegengeschenk zu machen mit den Briefen
über ästhetische Erziehung des Menschen — einem Werke, das
werthvoll für Jedermann, einem jungen Fürsten besonders un⸗
schätzbar sein muß! Wir erinnern an Schillers Verhältniß zum
Weimarer Hofe: klägliche 200 Thaler Jahrgehalt sind es, die
man ihm als Professor in Jena gewährt; da werden ihm von
Berlin aus 6000 Thaler jährlich für seine Uebersiedlung gebo—
ten — und er schlägt den Antrag aus — well neben andern