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Wir dürfen alfo auch hier nicht von einer Sleichgiltigkeit des Hans
Sachs gegen Öffentliche Dinge im zweiten Abfchnitt feines Lebens
fprechen.
YNeben diefer evangelifchen und politifjchen Mijfion hatte Hans
Sachs, um mit Goethe zu reden, eine poetifche Sendung.
Als er von der Wanderfchaft heimkfkehrte, drängte es ihn, feine
Kunft bald zu bethätigen. Er that es zuerft natürlich in der Sing:
fchule als Meifterfänger unter den AMeifterfängern, ein Name, den
man noch bis vor kurzem nur mit einem gewifjen Grauen oder mit-
[eidigem Achfelzucen auszufprechen pflegte. Die Meiltergefänge
des Hans Sachs werden in nicht allzuferner Zeit nach den Hand:
jchriften zum erften Male veröffentlicht werden und hoffentlich das
Mißtrauen zerftören, das man ihnen ungerechtfertigter Weife bisher
entgegenbrachte. Man verurteilte fie als leeren Klingflang, ohne fie
zu Fennen, weil man fich, etwa aus Gottfried Kellers Grünem Hein-
rich, einzelner Namen von Liederweijen erinnerte, die nicht einmal
Hans Sachfifch waren, fondern nur von geift: und poefielofen Nach:
tretern {(tammten. Hans Sachs aber mußte dafür büßen.
Bliden wir nun in eine Sing{chule hinein. Da ftimmen die
Singer nacheinander Meifterlieder nach der Bibel an, aus der allein,
und zwar nach der Kutherifchen Überfeßung, in dem ernften Teile
ihres Beifammenfeins gefchöpft werden durfte. Der eine erzählt von
Davids erfter Flucht, der andere vom Franken Lazarus, ein dritter führt
eine BGleichnisrede Chriftt aus den Evangelien vor und endlich einer
ein Kapitel aus der Epiftel an die Römer, Wieder ein anderer
ingt von den Helden des alten Teftamentes, der nächte von Hofer,
als er den Becher fand in Benjamins Sack, und zuleßt wagt {ich
einer treuherzig an die Apokalypfe. Mannigfaltiger aber ift die fich
daran anfchließende Zeche. Nachdem die Fabel von dem Maultier
auf der Weide vorgetragen ift, wie es dem dummen Wolfe durch
einen Aufichlag vor die Stirm Kopffichmerz bereitet, berichtet ein
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