Inhaltsverzeichnis: Festpredigt am 22. März dem neunzigsten Geburtstage des deutschen Kaisers Wilhelm I.

Wir fragen nach den Wohlthaten, die Gott an uns thut! Mit 
besonderem Nachdruck sagen wir: Wohlthaten, die Gott an uns thut! 
denn die Wohlthaten, die Segnungen Gottes, die unserem Kaiser zu 
teil werden, kommen uns, kommen seinem Volke zu gut. Wir wollen 
uns auf das innigste mit unserem Reichsherrn zusammenschließen, und 
die Wohlthaten, die unser Volk genießt, berühren ihn auf das lebhafteste, 
veil er sich Eins mit seinem Volke fühlt! Aber was sind es für 
Wohlthaten, die Gott an ihm und seinem Volke thut? 
Wenn wir heute mit unserem Kaiser einen Rückblick thun auf die 
Lebensführungen, die ihm zu teil geworden sind, so tritt da freilich 
nanches so recht in den Vordergrund, was vielmehr einer Heimsuchung 
ähnlich sieht als einer Wohlthat! Ich erinnere an das Jahr 1806, als 
die königliche Familie vor dem siegreichen Franzosenkaiser aus Berlin 
lüchten mußte, als die unvergeßliche Königin Luise ihre Söhne weinend 
in die Arme schloß: „Kinder, ihr seht mich in Thränen! Ich beweine 
den Untergang der Armee, es gibt keinen preußischen Staat, keine 
Armee, keinen Nationalruhm mehr!“ „Ruft diese Stunde in Euer 
Gedächtnis zurück, wenn Eure Mutter nicht mehr am Leben ist! — 
Befreit Euer Volk von der Schande, von der Erniedrigung, in der es 
jetzt schmachtet!“ Was mögen diese mütterlichen Worte auf das zart— 
besaitete Herz des Prinzen für einen Eindruck gemacht haben? — Und 
vas mag er zu fühlen bekommen haben, als er laut schluchzend am 
Sterbebette der geliebten Königin kniete, und sie ihre edle Seele aus— 
hauchte am 19. Juli 1810 mit den Worten: Ich sterbe, Herr Jesus, 
mach' es leicht. — Das Elend und die Schmach des zu Boden getretenen 
Vaterlandes hatten der edlen Frau das Herz gebrochen! Aber was 
haben diese Erinnerungen mit der Wohlthat zu thun, von der unser 
Terxteswort spricht? Nun, wenn Gott uns demütigt, so macht Er uns 
groß! So hat unser Kaiser damals gefühlt, so hat er später oft genug 
hekannt. In seinem Vonfirmationsgelübde hat der jugendliche Prinz 
gesagt: „Auf meinen Gott will ich unerschütterlich vertrauen! An ihn 
will ich in allen Angelegenheiten mich wenden, es soll mir eine süße 
Pflicht sein, recht fleißig im Gebete mit ihm meine Seele zu vereinigen! 
Ich weiß, daß ich ohne ihn nichts bin, und daß ich ohne ihn nichts 
oermag!“ Kann man da nicht von Wohlthaten sprechen, wenn Gott 
eine jugendliche Seele so mit Glaube und Gottseligkeit erfüllt? Und 
vwenn der damalige Prinz von Preußen noch in demselben Jahre, am 
13. Juli 1815 in Gemeinschaäft seines siegreichen Volkes in der 
hauptstadt Frankreichs einziehen konnte, und er an jene Worte der 
seligen Mutter dachte: Befreit Euer Volk!, so hat gewiß in seinem
	        
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