fullscreen: Kaspar Hauser

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Nichts geschaffen habe. In seinen Gesprächen mit Daumer 
überbot er sich förmlich mit spitzfindigen Fragen über das 
Wesen Gottes. Leider berichtet Daumer nicht, wann Kaspar 
an ihn die verblüffende Frage richtete, ob Gott der All— 
mächtige auch die Zeit rückgängig machen könne, doch kann 
dies nicht später als 1831 geschehen sein. Man sieht, Kaspar, 
dem man Fragen zutrauen durfte, wie etwa: „Wo wohnt 
der liebe Gott?“, „Kann ich ihn nicht einmal sehen?“ oder 
höchstens: „Sieht der liebe Gott wirklich Alles?“, „Kann 
er überall zugegen sein?“, beschäftigt sich bereits mit tief— 
sinniger, philosophischer Spekulation, die selbst über den 
Horizont eines normal erzogenen Quartaners oder Tertianers 
hinausgeht. Feuerbach, der in seinem „Verbrechen am Seelen— 
leben“ dies alles berichtet, ahnt nicht, wie sehr er dadurch 
die Glaubwürdigkeit seines Schützlings schwächt. 
Man wende nicht ein, Kaspar sei doch bereits ein 
Jüngling von ungefähr 16 Jahren gewesen, habe sich also 
unter verständiger Leitung weit schneller geistig entwickeln 
können, als ein A-B-C-Schütze von sechs Jahren. Ich halte 
dies für völlig irrtümlich. Der Sechsjährige kennt Wörter 
und Begriffe, und dies kommt ihm bei allem Lernen zu gute. 
Hauser dagegen hatte angeblich den größten Teil seines Lebens 
in seinem Gefängnisse ohne allen menschlichen Verkehr zu— 
gebracht und nur die sehr wenigen Gegenstände im Raum 
kennen gelernt, ohne ihre Namen zu erfahren. Dadurch 
wurde er in der normalen Entwickelung gehemmt und konnte 
dies auch bei angestrengtestem Fleiße nicht nachholen, am 
wenigsten in so kurzer Zeit. Sein vorgeschrittenes Alter 
war kein Vorteil, sondern ein Hemmnis für seine Ent— 
wickelung. 
Die überraschend schnellen Fortschritte Hausers mußten 
auch denen auffallen, die ihm seine Erzählung aufs Wort 
glaubten. Anstatt aber hierin Anklänge an früher gelerntes
	        
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