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auflehnet in trotziger Widerred'. Der Cunntzen hat's nicht ver—
dienet um uns, daß Du ihm untreu wirst!“—
„Untreu? Bin ich ihm untreu? Ich hab ihn noch gleicher—
maßen liebwert, wie ehedem; aber schau, mit dem Sifrit das ist
ja ein ganz ander Ding, so mit dem Cunntzen nichts gemein hat.
Was es wohl ist, vermag ich mit nichten Dir in Worten zu
sagen, weiß ich's doch selber nicht. — Aber sehen mußsich ihn,
immerdar, alle Tag', sonst sterb' ich!“
„Ach Elslein! Daß es soweit hat kommen müssen! Was
Du verspürest für den Sifrit, das ist der Minne Allgewalt —
aber eine unselige Lieb' ist's — so Dir der Satan in's uner—
fahrene Herz bläst, damit Du sündigen sollst und er Deine arme
Seel gewinnet! Denk' an den braven biedern Cunntzen, dem Du
die Sus ersetzen sollst, — den Sifrit mußt Du vergessen, hörst
Du, Du mußt!“
„Ach Mutter, Mutter!“ schluchzt Els und heiße Thränen
strömen aus den Augen.
Sanft legt die milde Frau die Händ' auf den geliebten
Scheitel und netzet ihn unaufhaltsam mit den salzigen Tropfen.
„Geh zur Ruh' mein Kind, die Mutter Gottes wird Dir
helfen, standhaft die Sünd' zu überwinden!“
Noch lang wandelt die Meisterin Puchnerin händeringend
in ihrer Kammer, so neben der der Els und der Kinder gelegen,
ruhelos auf und nieder: „Muß es denn sein? muß es wirklich
sein 7“ stöhnt sie aus tiefpundem Herzen. „O Du mein armes,
armes Kind, Du armer Cunntz! Herr hilf uns Allen, wir ver—
sinken!“ — —
Es ist unser „lieben Frawen Tag“1), der Tag, an welchem
nach dem Gebote der Herren vom hohen Rate der erste neue
Hhonig darf feil gehalten und verkaufet werden.
Rüstig schreitet die Els durch den Wald, dem nahen
Mögeldorf zu. Sie trägt ein wohlgefüllet Krüglein des neuen
Honigs zum geschworenen Honigmesser, auf daß dem Gesetze
8.September.