L54
also! Ihr seyd lauter schlechte Kerle gegen den preiswürdigen
Schuhflicker. Unter den Schuhflickern war in Deutschland einst ein
Poet, Hanns Sachse, ein großer Mann, der noch daselbst viele
Nachfolger hat. Es hat auch allezeit unter den Schuhflickern eine
Menge Propheten gegeben ; das zeiget der sächsische Jacob Böhme.“ 1
Weiße singt also in demselben Chorus mit, dessen Melodie wir aus
den Zeiten von Gottscheds Glück und Ende schon recht gut kennen,
ein äußerliches Nachbeten von gar keiner tiefer gehenden Bedeutung.
Es ist bekannt, welcher Streit mit den Gottschedianern sich an den
„Teufel“ knüpfte. In den ganzen Charakter dieser bedeutungslosen
Fehde schickt es sich, wenn auch ein „Meistersänger aus der Ober-
pfalz“ (1753) — allerdings nicht in den dazu eigentlich geeigneteren
Knittelversen, sondern in siebenfüßigen Jamben — Gottsched zu-
setzte und der lockere Johann Christoph Rost sein Teufelssend-
schreiben dem „Kunstrichter der Leipziger Schaubühne“ (1753) in
Knittelversen, die er auch sonst liebte, überreichen ließ.*
Wie die objektive Beurteilung Hans Sachsens und die Kenntnis
seiner Werke in dem literarischen Streit, der sich hauptsächlich an
die Namen Gottsched und Bodmer knüpft, gar keine Förderung er-
fahren hat und nur mit verbrauchten Mitteln in ungünstigem Sinne
fortgewirtschaftet wurde, so ist auch sonst in den Kreisen der
Dichter, die uns die Literaturgeschichte im Vorfrühling des deutschen
Klassizismus als die besten nennt, irgend ein tüchtiger Ansatz zu
fortschreitendem Verständnis nicht zu spüren. Eine tändelnd hinge-
worfene Äußerung oder eine Wahlverwandschaft im Stoff, das ist
alles. Der Gebrauch des Knittelverses zur Erzielung komischer
Wirkungen namentlich in Gelegenheitsdichtungen ist allgemein als
geheiligt anzusehen und ebenso allgemein brachte man mit dieser
Versart den Namen des Hans Sachs in Verbindung. Und so kann
man um die Mitte des 18. Jahrhunderts die Hans-Sachs-Frage nach
der damals geläufigen Auffassung durch die Überschrift kennzeichnen :
Hans Sachs als Ahnherr der Knittelversdichtung. Nur
einmal dringt in Dichterkreisen ein ernster Ton durch den aristo-
phanisch gestimmten Schwarm, als Vorklang zu Goethes Dichtungs-
weise in Hans Sachsens Art verdient er besondere Beachtung. Gleim
— dieser ist wahrscheinlich der Schreiber des Briefes — berichtet
1 Ch. F. Weiße, Komische Opern. Zweyter Theil, Leipzig, 1777, S. 154.
2 Minor, Weiße S. 145—149, 151, 382—384, 392—395.