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Feuerbachs Wandelbarkeit.
gerichts-Präsidenten von Feuerbach in Ansbach — 1831. Was
darin von ihm geleistet worden ist, haben wir schon früher (im
7. Kapitel) gehört. Feuerbachs Kaspar „roch dort aus der weitesten
(aus wie viel hundert Meilen 7) Entfernung das Aas eines Hundes,“
und er „beklagte sich über den entsetzlichen Gestank einer entfernten
Apotheke, der ihm den Kopf zerriß.“ Auf einem Fuße zu stehen,
Laufen, Hüpfen, Springen war ihm damals noch unmöglich!
Da Merker neuen Überschwenglichkeiten immerfort einen frischen
Dämpfer aufsetzte, fabrizierte Feuerbach, was er schon 1828 abge⸗
lehnt hatte, im letzten Viertel des Jahres 1831 ein Buch über Kaspar
Hauser. Seine Selbstkritik über diese Arbeit liegt vor in einem Briefe,
den er am 29. März 1832 aus Ansbach an seinen Sohn Anselm
geschrieben hat.
„Die Zeit liegt in schweren Geburtswehen — jeden Augenblick kann
die entscheidende Stunde schlagen, und was sie zur Welt bringen wird, sind
wilde, grimmig zerstörende Ungeheuer, unter denen Krieg — Völkerkrieg,
Vertilgungskrieg — noch das Mildeste sein wird. — Mau liest nicht mehr,
als was man lesen muß, oder — höchstens Dasjenige, womit man sich
betäuben, zerstreuen und den Sinn für den Augenblick von den Gräueln,
welche schon sind und noch kommen werden, ablenken kann. — Wer Dir
gesagt oder geschrieben hat, daß ich mich fortdauernd wohl befinde, muß
sich sehr wenig um mich bekümmern; denn sonst müßte er wissen, daß ich
seit zwei Monaten mein Zimmer, oft auch das Bett nicht verlassen habe,
daß ich seitdem vielmal jeden Tag in Ohnmacht falle, daß ich in einem
Zustand mich befinde, wo ich jeden Augenblick einen Nervenschlag befürchten
muß — was ich mir nicht etwa blos einbilde, sondern auch die Aerzte mir
eingestanden haben.i) Das Entsetzlichste für mich ist die gänzliche Abnahme
meines Gedächtnisses; ich weiß mich der mir bekanntesten Namen und Sachen
nicht mehr zu erinnern. Wissenschaftliches kann ich nicht mehr treiben, ver—
mag keinen abstrakten Satz mehr zu denken und nur noch über die Dinge
hinzustreifen. Mein Kaspar Hauser — den ich Dir hiemit für Deinen
däterlichen Freund, den ehrwürdigen Seuter, übersende — zeigt davon nicht
andeutliche Spuren. Ich mußte mich dabei fast aller Reflexionen enthalten (!)
Ist auch eingetreten. Schon am 29. April erlitt Feuerbach den ersten,
den 25. Juli 1832 traf ihn ein zweiter. Schlaganfall, ejn dritter machte am
29. Mai 1833 seinem Leben ein Ende.