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Thronerbe ist, so weiß er auch, wer zur Zeit in Baden regiert,
und wer nach dem Thron trachtet. Nicht undenkbar ist, daß
zu einer Zeit, wo schon unheimliche Gerüchte über Vorgänge
am badischen Hofe in Umlauf waren, Jemand sich den Witz
mit dem Zettel in der Flasche machte, in der Berechnung,
die Inschrift würde auf Baden gedeutet werden. Uebrigens
scheint auch Herr v. Artin von der Vermutung von Kaspars
Aufenthalt in Hochsal selbst nicht allzuviel zu halten, läßt
er doch in seinen späteren Schlußfolgerungen den Prinzen
von Karlsruhe nach drei- bis vierjährigen Irrfahrten nach
Falkenhaus gebracht und dort 10-12 Jahre gefangen ge—
halten werden. Hochsal kann also höchstens eine Station
auf diesen Irrfahrten gewesen sein.
Nach Falkenhaus verlegt Herr v. Artin die Stätte des
langjährigen Verbrechens, ohne viele Gründe dafür anzugeben.
Schade, daß er den „um die Lösung der Kaspar-Hauserfrage
sehr verdienten Forscher“ nicht mit Namen nennt, wir würden
sonst vielleicht von ihm Bestimmtes erfragen können. Sollte
am Ende der Umstand, daß die Gräfin Hochberg seit 1796
in Falkenhaus gewohnt hat, den Anfangsgrund zu dem Ver—
dachte gegen diesen Ort gebildet haben?
Nicht ohne Bedeutung erscheint Herrn v. Artin die
Mitteilung, Kaspar Hauser habe mit Mitgliedern der badischen
Herrscherfamilie starke Aehnlichkeit besessen. Es ist auffällig,
daß diese Thatsache von nur sehr wenigen bemerkt und er—
wähnt ist, also kann die Aehnlichkeit doch nicht so sehr
frappant gewesen sein. Aber auch die wenigen, welche sie
wahrnahmen, können sich leicht selbst getäuscht haben. Wenn
sie nämlich an das Gerücht, welches Kaspar zum badischen
Prinzen machte, glaubten, so spiegelte ihnen die Phantasie
beim Anblicke des Jünglings leicht eine derartige Aehnlichkeit
vor. Solche Selbsttäuschungen erleben wir oft. Ich weiß
einen Fall, wo ein ehrlicher, aber in der Weltgeschichte schlecht