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beugten Mädchens, voll Ernft und Salbung der Unfhuld und
Sottesfurcht, den Richtern tief ins Herz trafen), daß der arme
übel befchuldigte Mann und die Jungfrau volllommen unfchul=
dig, die Frau aber, wie fie e& dann auch nachher eingeftand,
einer vorfäßlich falfhen Anklage fchuldig fet.
Die Unfchuldige wurde ehrenvoll entlaffen, und die Schulz
dige, welche jener die Falle erft gegraben, unter lautem Beiz
fall des Volkes in das Sefängnißg hineingeführt, das jene
eben verlaffen.
So gut auch diefe ganze Sache für Kießlings Freund
geendigt hatte, fo gab fie doch abermals Stoff genug, über die
nfogenannten Srommen oder Herrnhuter, “ wie man fie auch
nannte (ohne daß weder Kießling noch fein Freund zu jener
Semeinde gehörten), zu fpotten und zu lachen. Über ein ande
ver Fall von noch fchwererer, ernfterer Art, welcher auch ei=
nige Monate nach RNehbergers Tode ftatt fand, gab eine
noch fruchtbarere Veranlaffung zu Läfterungen.
Der Bruder eben jenes trefflichen, frommen Schullehrers
Vigitil in F., der, wie e& fcheint, fich auch fchon feit lAn=
gerer Zeit zu den Freunden des feligen Kießling hielt, ftürzte
fich felbft von der hohen fteinernen Emporkirche bei St, Sebald
hinunter aufs Kirchenpflafter, und farb, ich weiß nicht ob fo
gleich oder bald nachher, an den Folgen diefer SGewaltthat.
Der Leichnam wurde, nach damaliger ftrengerer Sitte, mit
Schande auf einer Schleife durch die Stadt geführt und unter
dem Hochgericht begraben.
Und fo trat denn noch ein Fall ein, auf welchen wohl
auch in dem fechriftlichen Nachlaffe des Seligen hingedeutet fein
mag, Der aber dem Schreiber diefer Blätter aus einer ander=
weitigen mündlichen Nachricht bekannt geworden, wo ein Mann,
auf welchen unfer Kießling ganz ungemein viel Vertrauen
feßte, und welcher als ein Eiferer für die Wahrheit auf viele
Menfchen mächtig wirkte, nachmals Wergerniß gab und fich der
Berachtung der Welt bloßftellte, den ernfter Sefinnten aber
viele Schmerzen machte.