60
Von der Politik!) unterscheidet sich das Naturrecht durch
die Form, dadurch, dass Politik eine empirische Wissenschaft
ist, während das Naturrecht nur eine Wissenschaft aus Be-
griffen sein kann. Ausserdem auch durch seinen Inhalt. „Die
Mittel zum Zwecke des Staates machen den Gegenstand der
Politik, die Rechte des Menschen als Zweck des Staates den
Gegenstand des Naturrechts aus.“
Feuerbach wendet sich auch gegen jede relative oder ab-
solute Deduktion der Rechte aus dem Sittengesetz,?) die. nur
durch einen Spruch von „Rechtsein‘“ auf „Rechthaben‘“ und
durch eine Verwünschung beider Begriffe möglich sei. Moral
und Naturrecht seien überhaupt nicht im Zusammenhang zu
bringen: denn Recht und Sittlichkeit, von denen jenes das
Objekt der Rechtslehre, diese der Gegenstand der Sittenlehre
ist, sind zwei voneinander ganz verschiedene Be-
griffe.®) Die Realität der Rechtsgesetze hängt
nichtvonder Realitäteinerinneren Freiheit(wie
die Moralgesetze), sondern von der Möglichkeit
desZwangeszur Erhaltung der rechtlichen Frei:
heit ab.
Die Priorität dieser Unterscheidung von Recht und Moral
nahm Fichte in seinem Naturrecht für sich in Anspruch. Dem-
gegenüber macht Feuerbach geltend, dass er*) „in mehreren
Schriften, die vor Herrn Fichtes Naturrecht und ganz unab.
hängig von seiner Philosophie‘ erschienen, „die Unmöglich-
keit einer Ableitung des Rechts aus dem Sittengesetz zu zeigen
gesucht‘ habe. Seine Kritik des natürlichen Rechts hätte einzig
und allein die Absicht gehabt, zu beweisen, dass jede Deduk-
tion des Rechts aus dem Sittengesetz „entweder zu nichts oder
nur zu moralischen Begriffen führe‘, sowie zu zeigen, dass un
abhängig von dem Sittengesetz das Recht in der Vernunft
begründet sei. |
Nach genauerer Prüfung der Sachlage dürfte diese Be:
hauptung Feuerbachs der Richtigkeit nıcht entbehren. Denn
von den Philosophen, die Recht und Moral zuerst trennten.
kommen ausser Feuerbach Kant und Fichte allein in Betracht.
Die diesbezüglichen Werke sind:
1 Kritik d, natürl. Rechts S 41/42. 2 SS. 116/117.
3 JRevision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen
Rechts S. 110—111, II. Teil, (Chemnitz 1800.)
4) Leben und Wirken S. 23, Bd. II.