bildung, Bezirke die er einstmals bewußt und absichtlich
trennte, jetzt zu einer Einheit verschmolzen. Das Ergebnis
war eine menschliche Überlegenheit, die man Weisheit
nennen dürfte, weil sie nicht nur dem Tage diente. Ein
großes literarisches Werk war in Vorbereitung. Sein
Gegenstand schien abgelegen und seltsam. Aber nach
den Proben und Vorarbeiten konnte man hoffen, daß er
den lang vergessenen Einzelfall, die Sensation des ver-
gangenen Jahrhunderts, zu einem Sinnbild der richtenden
Wahrheit erheben würde. In Vorträgen und Reden in
großem und kleinem Kreis hatte er gerade zuletzt Gebiete
betreten, von denen man bisher hatte glauben müssen,
daß sie ihm verschlossen seien. Und alle, die in dieser
Zeit mit ihm zusammen waren, sagen, daß man das
Gefühl hatte, als habe er sich in einer fast beängstigenden
Weise vom Leben und von seiner eigenen Person losgelöst.
Ich will von meinem Bruder nicht sagen, daß er den
irdischen Dingen abgewendet oder auch nur von ferne
etwas wie ein Asket gewesen wäre. Im Gegenteil: er war
einem angenehmen Leben auf dieser Erde recht fest ver-
haftet. Er hat unter anderem den Verlust des väterlichen
Vermögens schwer und mit Bitterkeit ertragen. Es gab
eine Zeit in seinem Leben, wo man sich vorstellen konnte,
daß er ganz zu einem diesseitigen Menschen werden
würde, für den die sogenannten höheren Interessen ein
Schmuck des Daseins, eine Form des Lebensgenusses sein
würden. Er war kein Kämpfer von Hause aus; er hat
von sich aus nie den Kampf gesucht, weder den politischen
noch den sozialen, weder den religiösen noch den philo-
sophischen. Aber es hat sich ihm ein Engel in den Weg
gestellt und ihn zum Kampf gezwungen. Und als er
kämpfen mußte, ist er nicht ausgewichen; es waren innere
Kämpfe, wie es seiner Natur entsprach. Er hat sie durch-
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