Besondere soziale Fürsorge und Wohlfahrtspflege
ahrtsamt Nürnberg eine besondere Aufmerksamkeit zu, weil gerade in Nürnberg die Zahl der
Wanderer, welche die öffentliche Fürsorge um Arbeit und Hilfe anriefen, in den letzten Jahren ganz
besonders anstieg. Es wurden durch Ausbau der vorhandenen Einrichtungen geeignete Maßnahmen
getroffen, um den gesteigerten Anforderungen zu genügen. Der Wohlfahrtshauptausschuß sprach am
27. Februar 1927 seine Bereitwilligkeit aus, auf dem Gebiete der Wandererfürsorge auch mit der
angrenzenden Stadt Fürth zusammenzuarbeiten.
In Nürnberg bestehen zwei Wandererarbeitsstätten (Schniegling und Altenfurth), die Zu⸗
veisung dorthin geschieht durch die bei der Zentrale des Wohlfahrtsamtes bestehende besondere Ab—
leilung für „Arbeits- und Obdachlosenfürsorge“. Die Zahl der im Berichtsjahr angekommenen Wan—
derer betrug 14583 gegenüber 11002 im Vorjahr. Es wurden unterstützt 8956, an den Bezirksarzt
zur Untersuchung überwiesen 464. In die Wandererarbeitsstätten wurden eingewiesen 4688, von
denen aber nur 3989 die Arbeit aufnahmen. Außerdem lehnten 475 Personen die angebotene Unter—
tützung ab. In Bedarfsfällen wird zur Herbeiführung eines geregelten Wandererverkehrs ein Wander—
zuch ausgestellt. Für die beiden Wandererarbeitsstätten besteht eine gemeinsame Hausordnung. In
Altenfurth werden die Wanderer ausschließlich zu landwirtschaftlichen und Kultivierungsarbeiten
perwendet, in Schniegling verrichtet nur ein Teil landwirtschaftliche Arbeiten, im übrigen aber erfolgt
Abstellung der Wanderer in städtische Betriebe zu Lager-, Lade- und Transportarbeiten, ein anderer
Teil wird zu Arbeiten in der Werkstätte des Betriebes oder zu Schreibarbeiten in den Fürsorgestellen
»erwendet. Auch bei der Zufuhr von Brennstoffen an Unterstützungsgempfänger werden Wanderer
eschäftigt. Die Verpflegung für die in den Wandererarbeitsstätten untergebrachten Personen ist die
Jeiche wie im Feldbau. Sie besteht aus Kaffee (weiß und gezuckert), Frühstück, Mittagessen, Nach—
mittagsvesper, Abendsuppe, täglich 118 Pfund Brot und Liter Tee mit Zucker, ohne Milch. Die
berpflegung bereitet die Städtische Volksspeisung in der Küche der landwirtschaftlichen Betriebe in
ZSchniegling. Der Wert für eine Tagesverpflegung beläuft sich auf 1,25 Ro. Die Dauer des Aufent—
halts beträgt in der Regel zwei Wochen, manchmal auch drei Wochen; sie nur auf einige Tage festzu⸗
setzen wurde unterlassen, da die Wandererarbeitsstätten den Charakter eines Heimes tragen sollen.
Ein nicht zu kurz bemessener Aufenthalt soll den Wanderern, die arbeitsuchend von Ort zu Ort ziehen,
zur inneren Ruhe und Sammlung und zur Instandsetzung ihrer geringen Habseligkeiten dienen. Daß
die Gewährung eines längeren Aufenthalts dem Bedürfnis entgegenkam, beweisen die nach Austritt
an die Arbeitsstätten gelangenden Dankschreiben und Kartengrüße. In der Wandererarbeitsstätte
Schniegling ist für fußkranke Wanderer eine sogenannte Revierstube vorhanden. Die ärztliche Ver—
sorgung der Wanderer in der Wandererarbeitsstätte Altenfurth ist dem Arzt Dr. Stephan in Feucht
übertragen, der die Wanderer nach den Mindestsätzen der Krankenkassen behandelt. Ein ausgebildeter
Sanitäter ist mit der Durchführung der ärztlichen Verordnung betraut. Für die Sommermonate
tand den Wanderern ein Erholungs- und Spielplatz zur Verfügung. Unfälle oder bemerkenswerte
Ausschreitungen kamen nicht vor, die aufgenommenen Wanderer unterzogen sich willig jeder Arbeit.
Von den in den beiden Wandererarbeitsstätten aufgenommenen 3989 Wanderern waren 936 unter
20 Jahre, 2299 bis zu 30, 300 bis zu 40, 223 bis zu 50, 231 bis zu 60 Jahre und darüber alt.
Dem Beruse nach waren 785 landwirtschaftliche Arbeiter, 88 Erdarbeiter, 128 Bauarbeiter,
419 Fabrikarbeiter, 104 Bergarbeiter, 2236 Handwerker, 165 Handlungsgehilfen, 56 Hausangestellte,
9 Artisten, 2 Musiker und 2 gehörten sonstigen Berufen an. Sie verteilen sich nach der Staatsange⸗
hörigkeit auf 1362 Bayern, 204 Badenser, 69 Hessen, 1421 Preußen und 319 Sachsen, 246 Württem—
berger, 88 Thüringer, 13 Hanseaten, 66 Elsaß⸗Lothringer, 166 Oesterreicher, 30 Ausländer und
5 Staatenlose. Der Austritt erfolgte in 54 Fällen wegen Arbeitsvermittlung, in 55 wegen Krankheit,
n 2084 zwecks Weiterreise und in 17 behufs Eintritt in eine Anstalt, 1630 traten wegen Zeitablaufs
aus und 5 wurden inhaftiert.
Arbeitsheim, Großweidenmühlstraße33. Insgesamt waren im Berichtsjahr
206 Personen mit 23 208 Verpflegstagen untergebracht. Die Fürsorgebedürftigen waren zum Teil
erwerbsfähige odec erwerbsbeschränkte, meist ältere nach Nürnberg zuständige Männer. Außer Ver⸗
pflegung und Unterkunft werden bei Bedarf auch Bekleidungsstücke gewährt. Invalidenrentner be—
(ommen ein monatliches Taschengeld von 8 RA. Diese Vollinsassen wurden ganztägig mit Arbeit
zeschäftigt, die ihrem Gesundheitszustand entsprach (Spielwarenzapfen, Hopfenzupfen, Nachtlichter—
tecken, Schreiner⸗ oder Tapezierarbeiten, Ausführung von Transvorten für die Fürsorgeeinrichtungen).
78